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Jäger der Nacht

Jäger der Nacht

Titel: Jäger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wallace Hamilton
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brüstete, war ein zitternder Schatten seiner selbst. Aber Kevin war aufgekratzt.
    «Haste ‘ne Brause?»
    «Orangensaft tut dir besser.» – Was zog er da ab, seine Samariter‐Nummer?
    «Okay. Orangensaft», sagte Kevin, während er neben ihm in der Küche stand.
    Bruce goß ein Glas randvoll mit Orangensaft und machte sich selbst einen höllisch starken Kaffee.
    Sie marschierten ins Wohnzimmer, um dem Tag ins Auge zu sehen... oder das, was von ihm übrig geblieben war. Bruce machte es sich in seinem Lieblingssessel bequem. Kevin saß geziert wie eine alte Jungfer auf dem Diwan, nippte an seinem Orangensaft und sah Bruce aus niedergeschlagenen Augen an. Schließlich setzte er sein leeres Glas ab, erhob sich und pflanzte sich auf Bruces Schoß. Bruce, der geglaubt hatte, seine Leidenschaft sei für immer ausgelaugt, war unglaublich erregt. Irgendwas mußte dem irgendwie ein Ende machen.
    «Kevin?»
    «Hmmmm?»
    «Meinst du nicht, deine Mutter sollte wissen, daß mit dir alles in Ordnung ist?»
    Kevin zog diesen Vorschlag einen Moment lang in Betracht. Sein Gesicht verfinsterte sich. «Sowas ist schon früher vorgekommen. Ich sag’ ihr einfach, daß ich bei Johnny bin.»
    «Wer ist Johnny?»
    Kevin grinste verschwörerisch. «Niemand. Aber sie denkt, daß es jemand ist.»
    «Nun, warum rufst du sie nicht an und sagst ihr, daß du bei Johnny bist?»
    «Okay.» Aber Kevin rührte sich nicht vom Fleck, außer daß er einen Arm um Bruces Hals legte. Er sah Bruce mit kindlicher Direktheit an. Bruce bemerkte, daß seine Augen nußbraun waren. Kevin sagte: «Bruce...»
    «Hier bin ich.»
    «Geht es in Ordnung...» Er zögerte. «... ich mein’, ich werd’ dir keinen Ärger oder sowas machen... geht es in Ordnung, wenn ich dieses Wochenende hierbleibe?»
    Nun zögerte Bruce.
    Kevin drückte sich an ihn. Seine großen, nußbraunen Augen leuchteten. «Du brauchst nichts zu bezahlen... und ich esse nicht viel. Es ist nur...»
    Bruce dachte: Abendessen im Kaufmannsklub heute Nacht. Er könnte eine bedauernde Entschuldigung schicken. Er hatte Tante Charlotte gegenüber erwähnt, daß er eventuell Sonntagnachmittag bei ihr vorbeikommen würde. Auch da könnte er sich wieder telefonisch entschuldigen und sie Montagabend treffen. Amory sagte, daß er wahrscheinlich irgendwann am Wochenende vorbeischauen würde. Okay, okay, sollte Amory sich den Mund fusselig reden. Und seine Studien des Schwarzen Todes konnten warten... Die Trostlosigkeit würde seiner schon harren.
    «Tja...», sagte Bruce nachsichtig, «was möchtest du denn dieses Wochenende unternehmen?»
    Kevin strahlte übers ganze Gesicht, umschlang Bruce mit beiden Armen und küßte ihn. «Nimm mich dorthin mit, wo ich noch nie zuvor gewesen bin.»

16. KAPITEL
     
    Sie fuhren durch die Ausläufer der Stadt und waren bald auf dem Land, einer waldreichen Gegend, in der Kevin tatsächlich noch nie gewesen war. Es war ein warmer Tag, und das sanfte Frühlingsgrün der Bäume verfärbte sich allmählich zu einem satten Grün.
    Kevin war beeindruckt von dem langen Band der Landstraße vor ihnen. «Wo fahr’n wir hin, New York?»
    «Nicht ganz so weit. Nur zu einer Stelle, die ich kenne.»
    «Oh.» Kevin rückte auf seinem Sitz dichter an Bruce heran. «Ich
    war noch nie in New York. In der Hafenstraße hat mir ein Typ erzählt, daß man den Strichern in New York einige Hunderter bezahlt.»
    «Ich glaub’, man hat dich auf den Arm genommen.»
    Ein Anflug von Enttäuschung. «Wahrscheinlich.» Dann, vorsichtig: «Hast du je in New York einen Stricher abgeschleppt?»
    «Des Öfteren.»
    «Ich wette, die waren alle in Gold gekleidet und schwebten von der Decke.»
    «Nicht ganz so.»
    «Wohl genauso wie hier, was?»
    «Außer, daß sie etwas mehr kosten und etwas weniger tun.» Kevin fühlte sich beruhigt.
    Bruce verlangsamte die Fahrt, steuerte den Wagen von der Straße auf einen verlassenen, unter Bäumen gelegenen Parkplatz und stellte den Motor ab.
    Kevin sah sich im Wald um. «Ist das hier unser Ziel?»
    «Wir müssen noch ein bißchen wandern.»
    Kevins Stimme klang leise und angespannt vor Erregung. «Treiben wir’s im Wald?»
    Bruce lachte. «Nein, Kevin. Wir gehen nur zum Kanal, wo die Lastkähne fahren.»
    Kevin war sich nicht ganz sicher, ob er in der Stimmung für eine Kanalbesichtigung war. «Oh.» Aber dann wiederum, als er darüber nachdachte, stellte er fest, daß er noch nie so einen Kanal gesehen hatte. Er hatte nur eine verschwommene Erinnerung daran, daß

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