Jäger der Schatten
eine bekommst. Renfield ist sehr genau, wenn es um die Einhaltung der formalen Regeln und Abläufe geht. Er kann es gar nicht leiden, wenn ihr Vampire ihn herumschubst.«
Mimi knirschte mit den Zähnen. Oliver hatte Recht. Dieser alte Kauz würde ihr Oliver nicht einfach so überlassen. Er würde einen bürokratischen Papierkrieg beginnen.
»Also gut! Du musst mir helfen, weil wir in Schwierigkeiten stecken und ich weiß, dass du ein guter Junge bist und nicht die Absicht hast, einen Vampir sterben zu lassen.«
»Vampire können nicht sterben«, stellte Oliver nüchtern fest. »Sie werden recycelt, um irgendwann weiterzusaugen. Oder kennst du etwa deine eigene Geschichte nicht?«
»Wer auch immer dahintersteckt, ist im Besitz des Schwarzen Feuers. Victorias Blut wird verbrannt werden«, betonte Mimi. »Juckt dich das denn gar nicht?«
»Warum sollte es?«, blaffte Oliver. »Das ist nicht mein Problem. Tut mir leid, aber die Antwort ist Nein. Schick die Versetzungsanfrage an Renfield. Wir sehen uns in drei Monaten.«
Mimi war fassungslos. Offensichtlich hatte das Archiv seine Loyalität gegenüber der Vampirgemeinschaft überschätzt. Sie konnte nicht verstehen, warum er so negativ eingestellt war. War es nur seine Verärgerung, seine persönliche Abneigung ihr gegenüber oder seine Verbitterung darüber, dass Skyler ihn verlassen hatte? Was auch immer, Mimi war es egal. Er war viel zu dickköpfig. Das hatte nichts mit ihnen beiden oder ihrer Feindseligkeit zu tun. Ein unsterbliches Leben stand auf dem Spiel.
»Großer Gott, Oliver! Weißt du überhaupt, was du da redest?«, schrie Mimi ihn an. Ihr Ausbruch führte dazu, dass sich einige Leute im Gang nach ihnen umdrehten. Mimi funkelte sie böse an. Sie hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, doch sie riss sich zusammen. Sie war stark genug, eine Armee von Engeln in die Schlacht zu führen, aber sie konnte nicht ein dummes Red Blood überzeugen? Sie beschloss, etwas zu versuchen, was ihr eigentlich völlig fremd war. »Sieh mal, ich weiß, was los ist. Ich wei ß … dass du verletzt bist, genau wie ich.«
Bitte, sie hatte es zugegeben.
Oliver war immer noch eingeschnappt, aber Mimi machte weiter. »Ich denke einfach, dass die Arbeit an diesem Fall den Schmerz ein wenig lindern wird. Du wirst über andere Dinge nachdenken können.« Sie fuhr sich verzweifelt mit den Händen durchs Haar. »Es hilft mir, also wird es dir vielleicht auch helfen. Wenn auch nur ein wenig.«
Oliver fummelte an seiner Jacke herum und seufzte. »Nun, es würde helfen, wenn du zur Abwechslung auch mal fragen würdest, anstatt immer nur Befehle zu erteilen.«
»Wie meinst du das?« Mimi verengte die Augen zu schmalen Schlitzen.
»Ich meine, dass du nett fragen könntest. Du weißt schon, anstatt dich wie ein Diktator aufzuführen.«
»Du meinst, ich sollte etwas sagen wie: Bitte, Oliver, hilfst du mir, den Verräter zu finden?«
»Ganz genau.«
Jetzt rollte Mimi mit den Augen. »Na schön. Bitte, Oliver, hilfst du mir, den Verräter zu finden?« Sie fühlte sich wie eine Dreijährige, die von ihren Eltern für ihre schlechten Manieren ausgeschimpft wurde.
Oliver lächelte. »Und, war das so schwer, Mimi? Du brauchst nicht zu antworten. Ich weiß, dass dir das schwergefallen ist. Aber ich freue mich natürlich, dir zu helfen, weil du so nett gefragt hast. Was sollte ich auch sonst tun?«
18
Die üblichen Verdächtigen
N ormalerweise genoss Mimi die Gesellschaft von Red-Blood-Jungs nicht besonders, es sei denn, sie konnte sie vernaschen. Sie hatte sich mit etlichen Vertrauten abgeben müssen, um die stressige Woche zu überstehen. Doch wenn sie nicht am Hals eines Jungen knabbern und sein Blut trinken konnte, hatte sie absolut kein Interesse an ihm. Deshalb überraschte es sie, dass sie Oliver doch nicht so sehr hasste, wie sie gedacht hatte, und dass die Zusammenarbeit mit ihm nicht so eine Qual war, wie von ihr erwartet. Ihnen blieben nur noch vier Tage, bis der Mond wieder zunahm, und Mimi war erleichtert darüber, dass Oliver ein sorgfältiger und fähiger Ermittler war. Schon am nächsten Morgen hatte er alle Conduits aufgetrieben, die auf Jamie Kips Party gewesen waren.
Seit nur noch eine Handvoll Blue-Blood-Familien Conduits für sich arbeiten ließen, gab es lediglich vier von ihnen in der Stadt, die die Party besucht haben konnten, ohne Verdacht bei den anderen Gästen zu erregen. Oliver führte jeden Verdächtigen nacheinander in einen kleinen Raum im Archiv,
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