Jäger der Schatten
seufzte. »Also gut, ich werde dir etwas über meine Beziehung zu Stella erzählen. Abgesehen davon, dass sie sich zu viele Klamotten von mir leiht, sind wir gute Freunde. Ich mein e … du weißt schon, was ich meine. Sie lieben, sie hassen, das ist irgendwie dasselbe.«
»Es stört dich nicht, dass sie über dir steht?«
Gemma schnaubte. »Nein, warum auch? Stella ist eine verwöhnte kleine Vampirprinzessin, aber sie ist meine verwöhnte kleine Vampirprinzessin, verstehst du? Meine Familie arbeitet schon seit vielen Jahren für die van Rensslaers. Stella ist wie eine Schwester für mich, wir verstehen uns. Ich will nicht pathetisch klingen, aber ein Conduit zu sein, ist eine Ehre. Warum sollte ich so etwas tun? Ein Video drehen und es ins Internet stellen? Das wäre doc h … nein.« Sie blinzelte ein paar Tränen weg. »Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass wir die Geheimnisse der Vampire besser hüten, als die Vampire selbst. Bryce und diese ganzen Typen geben immer mit ihren Vampirkräften an, wenn sie denken, dass sie nicht beobachtet werden. Rennen zu schnell. Heben einen Schreibtisch mit einem einzigen Finger hoch. Ich bin überrascht, dass so etwas nicht schon eher geschehen ist. Ohne diese Vergessenszauber, die sie wie Papiertaschentücher benutzen, würde es bereits die ganze Welt wissen.«
Die nächsten drei Befragungen liefen genauso ab. Die Conduits zeigten alle die gleiche Betroffenheit, die gleiche Entrüstung darüber, dass ihnen unterstellt wurde, sie würden die Geheimnisse der Vampire enthüllen. Sie schienen schon allein bei dem Gedanken daran verärgert zu sein.
Mimi brauchte nicht ihre Gedanken lesen oder ihr Blut kosten, um sicher zu sein, dass sie die Wahrheit sagten. Sie war ergriffen von der Treue und Ergebenheit, die die Conduits in den Gesprächen zeigten. Warum hatte Charles aufgehört, ihre Dienste zu nutzen? Sie wünschte, sie wüsste das.
Mimi betrat den Raum, nachdem der letzte Conduit gegangen war. Sie setzte sich Oliver gegenüber. »Also, wie ist dein Urteil? Wer ist unser Judas?«
»Nun, zumindest ist es kein Conduit. Das können wir ausschließen. Wer auch immer Victoria in seiner Gewalt hat und für das Video verantwortlich ist, ist keiner von ihnen.« Oliver erhob sich von seinem Stuhl und streckte die Arme über den Kopf. »Ihre Alibis sind alle hieb- und stichfest. Die EDV-Leute haben nichts auf ihren Computern gefunden und die Venatoren haben auch nichts entdeckt.«
»Ich weiß, ich habe die Berichte ebenfalls gelesen.« Mimi seufzte. »Sie sind alle so verdammt treu.«
»Vielleicht sind wir falsch an die Sache herangegangen«, sagte Oliver.
»Wie meinst das?« Mimi hob eine Augenbraue.
»Victoria wurde entführt und ihr Vertrauter gilt ebenfalls als vermisst. Die Venatoren denken, Evan sei dazu nicht fähig, aber was wär e …?« Oliver setzte sich wieder hin. »Er war ihr erster menschlicher Vertrauter und sie waren nicht lange zusammen. Nachdem, was ich in Erfahrung bringen konnte, war der Heilige Kuss auf dem Sofa ihr erstes Mal.«
»Willst du damit sagen, dass wir Evan Howe als Verdächtigen betrachten sollten?«
»Mangels anderer Beweise würde ich sagen, er ist genauso verdächtig wie jeder andere«, sagte Oliver.
Mimi machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du kannst nicht ernsthaft glauben, das s …«
»Wieso nicht?« Oliver hob fragend die Schultern.
»Aber du müsstest doch am besten wissen, dass menschliche Vertraute durch die Caeremonia dazu gezwungen sind, ihre Vampirherren zu lieben. Kein Vertrauter würde jemal s … könnte jemal s …« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das würde niemals geschehen. Sogar die Venatoren halten das für ausgeschlossen. Der Heilige Kuss verhindert das. Es ist unmöglich.«
»Nichts ist unmöglich. Sicher, bisher ist so etwas noch nie vorgekommen, aber das heißt nicht, dass es nicht irgendwann passieren könnte. Die Kraft der Caeremonia könnte irgendwie beschädigt oder geschwächt worden sein, wir wissen es nicht.«
»Aber das ist absurd. Der Ältestenrat wird mich auslachen, wenn ich das auch nur erwähne.«
Doch Oliver blieb hartnäckig. »Wir müssen dem trotzdem nachgehen.«
19
Der Hauptsitz der Venatoren
E s war schmerzhaft, ab und zu die Lennox-Zwillinge zu sehen. Es erinnerte Mimi zu sehr an ihren Auftrag mit Kingsley. Sie war ein Jahr lang als Mitglied seines Teams mit ihm durch die Welt gereist und hatte ihn bis auf das eine Mal in Rio immer auf Abstand gehalten. Ihre gemeinsame Zeit in New
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