Jäger des Zwielichts: Roman (German Edition)
Menschenknast? Wie lange würde sie dortbleiben?
»Ich hasse es, eingesperrt zu sein«, murmelte sie. Sie hatte zu viele Jahre in Gefangenschaft verbracht. Ihr Blick wanderte über den Sumpf. Hier war alles offen, frei, genau wie sie es sich wünschte. Warum konnte sie nicht einfach jeder in Ruhe lassen?
»Dann hättest du vielleicht keine Leute umbringen sollen.«
Schlagartig wurde sie wie versteinert. »Du weißt rein gar nichts von mir!«
Schmale Linien zeichneten sich neben seinen Mundwinkeln ab. »Ach nein?«
»Was? Du hast meinen Namen in irgendeinen Computer bei Night Watch eingetippt, und auf einmal denkst du, du kennst mich?«
»Ich weiß, dass du deinen ersten Brand mit dreizehn gelegt hast. Ein Feuer, in dem dein Vater umkam.«
»Stiefvater.« Diese Unterscheidung war ihr wichtig.
Er kam näher. Nicht dass er mit den Handschellen zwischen ihnen allzu weit von ihr wegkönnte. »Warum? Warum in aller Welt hast du das getan? Du musst keine Menschen verletzten. Du musst dein Feuer überhaupt nicht benutzen. Du hättest normal sein können.«
War er bekloppt? »Dämon, ich bin ungefähr so normal wie du.« Dachte er, sie hätte sich ausgesucht, so zu sein? Wusste er, wie viele Nächte sie durchgeweint und Gott angefleht hatte, sie normal sein zu lassen? Jana holte tief Luft. »Ich weiß ja nicht, was du über Incendoren gehört hast«, die waren nicht eben breit gestreut, »aber wenn die Flammen das erste Mal losgehen, kann man sie nicht kontrollieren.« Nicht, wenn alles so schnell brennt, wenn man schreit und bettelt, dass es aufhört.
Worauf das Feuer noch gnadenloser lodert.
Sie hatte Jahre gebraucht, es beherrschen zu lernen, und diese Lektionen waren schmerzlich gewesen.
»Du hast Leute mit deinem Feuer getötet.«
»Ach, und du bist vollkommen unschuldig?« Das bezweifelte sie. Ihr war jedenfalls noch kein unschuldiger Dämon begegnet. »Ich wette, du lebst einfach so vor dich hin und tust keiner Seele etwas, stimmt’s? Du hast noch nie …«
»Die letzte Person, die ich getötet habe, war eine Incendorin.«
Damit hatte sie nicht gerechnet. Jana schluckte und sah ihn an. Der Schwung seiner Lippen hatte etwas Grausames, und seine Augen wirkten zu hart.
»Ich habe ihr das Genick gebrochen. Sie ahnte nicht einmal, was geschah, ehe es zu spät war.« Das sagte er ganz ruhig.
Oh, Mist. Jana bekam eine Gänsehaut, diesmal allerdings nicht von der Kälte. » Warum?«
»Weil sie sich mit einer Vampirrotte zusammengetan hatte. Sie folterte meine Freunde, und ich wollte nicht danebenstehen und zugucken, wie sie starben.«
Stattdessen war die Frau gestorben.
Er hob die Hand, und prompt zuckte Jana zusammen. Aber er strich ihr lediglich das Haar zurück, wobei seine Fingerknöchel ihre Wange streiften. »Jetzt bist du dran.«
Ihr stockte der Atem.
»Warum hast du es getan? Lass es mich verstehen. Gib mir irgendwas. Warum hast du die Brände gelegt?«
Schreie, die nicht aufhören wollten. »Weil ich es konnte.« Mehr sagte sie nicht. War das ein fairer Informationsaustausch? Nein. Andererseits hatte sie ihn nicht gezwungen, ihre Frage zu beantworten.
Und sie würde seine nicht beantworten.
Jana drehte sich weg und zerrte ihn mit sich auf das dichte Gebüsch zu. »Das Motorrad ist hier drüben.«
Nicht einmal der Gedanke, den Night-Watch-Leuten übergeben zu werden, kam ihr so furchtbar vor, wie ihre Seele und ihre Vergangenheit vor einem Dämon zu entblößen. Nun mal halblang, ja?
Sie gab niemandem ihr Innerstes preis. Ihre Geheimnisse waren ihre, und sie hatte vor, sie mit ins Grab zu nehmen.
An einer heruntergekommenen Tankstelle hielten sie an, um das Motorrad aufzutanken. Die Maschine vibrierte zwischen Janas Beinen, und Abgase waberten um sie herum, bis Zane den Motor ausstellte.
Heute fuhr er. Der große böse Dämon hatte das Kommando.
Jana hörte einen stummen Aufschrei, als sie abstieg, und drehte sich um. Hinter ihr stand eine alte Dame mit steingrauem Haar, die sie misstrauisch beäugte. Nein, nicht sie, sondern vielmehr die Handschellen.
Fabelhaft. An einen Mann gekettet und mit weit offener Bluse gab Jana nicht direkt das Bild einer anständigen jungen Frau ab. Aber das war egal. Sie lächelte der Frau zu. »Er ist ein bisschen wild.« Genau wie ich.
Zane raunte einen Fluch.
Der Frau fiel die Kinnlade herunter. Dann schlug sie ihre Wagentür zu und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Janas Grinsen wurde breiter. Sie vernahm ein Knurren und wandte sich zu Zane, der sie
Weitere Kostenlose Bücher