Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
gebrauchen.
Und irgendwie fand sie ihn ja auch nicht unsympathisch.
»Als team player «, sagte Meirich mit Unschuldsmiene.
»Gut.«
»Was kann ich tun?«
Sie lächelte. Einen der alten OK-Hasen herumscheuchen – daran konnte sie Gefallen finden. »Fahr nach Breisach zu den Kollegen. Illi und ich reden mit der Mutter.«
»Illi?«
»Thomas Ilic.«
»Der Junge, der damals bei Heuweiler dabei war? Als der MEK-Mann erschossen wurde? War er nicht …« Meirich ließ den Satz unvollendet.
Sie nickte. Trauma, Krankschreibung, eineinhalb Jahre aus dem Dienst. Und immer noch ihr Lieblingskollege. »War er, und jetzt ist wieder alles okay.«
»In Ordnung. Falls du noch Leute brauchst, ich könnte dir einen oder zwei Kollegen besorgen.«
Sie sah ihn schweigend an.
»Es bleibt dein Fall.« Meirich hob beruhigend die Hände.
»Gut.«
»Dann fahre ich mit einem von meinen Leuten nach Breisach.«
Sie nickte. »Ich muss vorher mit Rolf sprechen.«
»Soll ich das machen?«
»Nein.«
Meirich lächelte. »Dein Fall.«
»Ja«, sagte Louise.
Claus Rohmueller spürte es, der Hund spürte es. Alles war nun anders.
Also erzählte sie, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, was sie erfahren hatte. Irgendwie fand sie, dass Rohmueller ein Recht darauf hatte, es zu wissen.
» Noch ein Kind?«
»Kann Zufall sein. Es gibt die merkwürdigsten Zufälle.«
»Um Himmels willen, noch ein Kind …«
»Beruhigen Sie sich, Herr Rohmueller. Wer weiß schon, was geschehen ist. Vielleicht haben die beiden ja überhaupt nichts miteinander zu tun. Vielleicht …« Sie brach ab. Sie wusste, dass sie nicht überzeugend log.
»Ja«, sagte Claus Rohmueller.
»Haben Sie den Namen mal gehört? Eduard Holzner? Eddie.«
Er schüttelte den Kopf. Auch der Ortsname sagte ihm nichts. Oberrimsingen, Ortsteil Grezhausen? Er wusste nicht einmal, wo das lag.
»Ich brauche Ihre Hilfe. Ihre Kraft«, sagte Louise.
»Ja.«
»Ihre Hoffnung. Verstehen Sie?«
Claus Rohmueller nickte, aber sie sah, dass er mit den Tränen kämpfte. Sie reichte ihm ein Taschentuch. Er schüttelte den Kopf und zog ein Stofftuch aus der Tasche.
Ihr Blick fiel auf den Hund. Er musterte sie mit stillen Augen. Ja, auch der Hund spürte es.
Alles war nun anders.
Zehn Minuten später kam Thomas Ilic. Er blieb bei Claus Rohmueller, während Louise ins Nachbarbüro ging, um Rolf Bermann anzurufen.
Bermann wusste Bescheid. Anselm Löbinger, der Leiter der Inspektion I, hatte ihn während des Fluges nach Frankfurt informiert. Hans Meirich und eine weitere Kollegin vom Dezernat OK kamen ins Team.
Auch von Eddie Holzner wusste Bermann bereits.
Sie legte auf.
Natürlich, ihr Fall.
3
»Also«, sagte Thomas Ilic und öffnete den Schnellhefter mit seinen blaubeschriebenen Blättern, die sie so liebte.
Er saß auf dem Beifahrersitz des Dienstwagens, sie fuhr. Alte Tradition, neue Notwendigkeit. Noch immer nahm er Medikamente und konnte sich nicht lange konzentrieren.
Er war am frühen Morgen mit einem Wirtschaftsermittler vom Dezernat 31 bei Nadines Bank gewesen. Von dort hatte der Kollege mit American Express und MasterCard telefoniert, deren Kreditkarten Nadine benutzte. Ein paar Belastungen in der vergangenen Woche – Einkäufe, Lokale, nichts Ungewöhnliches. Am Samstagmittag achthundert Euro, eingereicht von einer kleinen, teuren Boutique in der Nähe des Münsterplatzes.
»Aber da kann noch was kommen«, sagte Thomas Ilic.
Sie nickte. Ein paar Tage mussten sie noch warten, vor allem dann, wenn sie davon ausgingen, dass Nadine ins Ausland gereist war. Kreditkartenbelastungen in den USA brauchten nun mal eine Weile über den großen Teich.
Aber gingen sie noch davon aus?
»Ja. Nein. Ich weiß es nicht«, sagte Thomas Ilic.
»Nein«, sagte Louise.
Er lachte unsicher. »Ahnungen?«
Sie streifte ihn mit einem Blick. Thomas Ilic war einer der wenigen Kollegen, die auch Ahnungen ernst nahmen. Doch nun ging es nicht um Ahnungen, sondern um Wahrscheinlichkeiten und Erfahrung. Eineinhalb Jahre aus dem Dienst, all die Medikamente, die Einsamkeit, die Selbstzweifel, das musste zutiefst verunsichern. Vielleicht am Schlimmsten: die Blicke der Kollegen bei der Rückkehr. Verbrechensopfer und Psychos hatten Traumata, Polizisten nicht. Polizisten halfen, waren stark und seelisch unverwundbar.
Auch Hans Meirich hatte vorhin diesen Blick gehabt. Eine Mischung aus Mitgefühl, Ekel, Verachtung, Belustigung.
»Du hast recht«, sagte Thomas Ilic. »Ausland können wir
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