Jäger: Thriller (Ein Marina-Esposito-Thriller) (German Edition)
Dieses Dreckschwein …« Sie spie das Wort förmlich aus. Dann machte sie einen Schritt auf Dee zu. »Beschäftigt.« Urplötzlich erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Na, gefällt dir, was du siehst? Sag schon, gefällt es dir?«
Dee wollte nicht hinschauen. Sie wollte sich wegdrehen und ganz fest die Augen zukneifen. Stattdessen stand sie vollkommen reglos da und war unfähig, den Blick abzuwenden. Es war wie bei einem Autounfall: Man muss die Zerstörung, die Trümmer einfach ansehen. Weil man sich sagen will: Gott sei Dank ist das nicht mir passiert.
»So sieht man aus, wenn man von den Toten wiederauferstanden ist …«
Ihr Körper war früher der einer Frau gewesen. Jetzt hatte sie nur noch eine Brust, und selbst die war entstellt. Dort, wo früher die andere Brust gewesen war, sah man nur noch Narbengewebe und transplantierte Haut, stellenweise unnatürlich glatt, dann wieder wulstig und zerklüftet, in unterschiedlichen Rottönen. Und über ihre ganze Seite zog sich ein Strang groben Narbengewebes.
Doch am schrecklichsten war das Gesicht. Der Kopf.
Sie war fast vollständig kahl, nur wenige Haarbüschel wuchsen noch zwischen verheilten Narben und verpflanzter Haut. Ihre Schädeldecke war verformt, voller Beulen und Krater, als hätte man versucht, ein aufgeschlagenes Ei unsachgemäß wieder zusammenzusetzen. Leuchtend rote Linien durchzogen ihr Gesicht. Sie hatte eine Gaumenprothese herausgenommen, an der ihre falschen Zähne befestigt waren, so dass ihr Mund nun auf einer Seite eingefallen war. Eines der Ohren war nur noch ein verformter Stummel.
Ihre Hände, nicht viel mehr als knotige Klauen, zitterten, während sie die Pistole auf Dee gerichtet hielt.
»Das hat er mir angetan … Nur zu, schau es dir gut an. Lass dir Zeit. Das ist sein Werk. Das hat er aus mir gemacht.«
Dees Lippen bewegten sich hektisch, aber sie brachte keinen Ton heraus.
»Und jetzt kommt er nicht mal selber …« Amy schüttelte den Kopf. »Er kommt nicht …« Sie richtete den Blick zu Boden und senkte gleichzeitig die Taschenlampe.
Eigentlich hätte Dee heilfroh sein müssen, dass kein Licht mehr auf den missgestalteten Körper fiel, doch die Schatten machten den Anblick nur noch grauenhafter.
Dann hob Amy den Kopf. »Warum bist du hier? Ich will dich nicht sehen. Warum du und nicht er?«
Dee antwortete wie unter Zwang. »Weil ich … Weil ich Sie sehen wollte.«
»Du wolltest mich sehen?« Amys Stimme wurde lauter. »Du wolltest mich sehen?« Sie trat noch einen Schritt näher. »Also. Jetzt hast du die Gelegenheit dazu. Schau dir alles ganz genau an. Na los doch.« Erneut ließ sie den Lichtstrahl der Taschenlampe über ihren Körper wandern. »Lass dir Zeit.« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein Zischen. »So wirst du eines Tages auch aussehen. Oh ja … genau so.«
»Was … was meinen Sie damit?«
»Wenn er anfängt, sich mit dir zu langweilen. Wenn er dich loswerden will.«
Amy kam immer näher. Streckte eine Hand nach Dee aus.
»Ich will dich berühren.«
Und Dee versuchte nach Kräften, nicht zu schreien.
105 »Hier.« Sloane streckte die Hand aus. Darin befand sich ein dickes Bündel Geldscheine.
Der Mann nahm es mit unbewegter Miene entgegen.
»Reicht das?« In Wahrheit kannte Sloane die Antwort bereits, sonst hätte er die Frage gar nicht gestellt.
Wie erwartet, nickte der Mann. »Das ist mehr als genug, danke.«
»Gut.«
Sloane sah sich um und lauschte. Hörte nur das tiefe Summen der Maschinen im Leerlauf. Und das Klatschen des Wassers gegen den Rumpf. Nichts, was Anlass zur Beunruhigung gegeben hätte.
Ausgezeichnet.
Der Kapitän des Frachters war ein Mann, der es gewohnt war, keine Fragen zu stellen. Er verschloss so oft die Augen vor gewissen Dingen, wie Sloane ihm Geld dafür gab. Wenn man für die Sloanes arbeitete, so hatte er festgestellt, war Blindheit eine gefragte Eigenschaft.
Michael Sloane sah die Geldscheine in der Jacke des Mannes verschwinden. »Sie wissen, was zu tun ist?«
Der Kapitän nickte. »Dasselbe wie immer. Ich weiß Bescheid.«
»Ich weiß, dass Sie Bescheid wissen.« In Sloanes Augen blitzte Wut auf. »Tun Sie mir trotzdem den Gefallen und sagen Sie es mir. Stellen Sie sich einfach vor, ich sei derjenige, der Sie bezahlt, und ich wolle mich noch einmal vergewissern, dass Sie auch ganz genau über Ihre Aufgabe im Bilde sind.«
Falls der Kapitän sich über Sloanes schroffe Zurechtweisung ärgerte, ließ er dies durch nichts erkennen. Sein Boss konnte
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