Jäger und Gejagte
Zwerg sitzen auf dem blauen gesprenkelten Sofa im Wohnzimmer. Der niedrige Tisch vor ihnen ist mit Papieren übersät. Clutch lehnt sich zurück und lächelt, betrachtet sie von oben bis unten, wobei ihm offensichtlich gefällt, was er sieht. Die halbe Portion neben ihm funkelt Cherry an, aber das kann sie nicht schrecken. Cherry läßt sich von niemandem Drek bieten. Besonders nicht von jemandem mit einer Datenbuchse im Schädel und einem Notepad am Gürtel.
Verdammter drekfressender Steuerberater.
»Warum gehst du nicht irgendwohin und rechnest irgendwas aus.«
Clutch grinst und greift nach ihr. Er zieht sie an sich und küßt sie hart auf den Mund. Eine Hand gleitet zwischen ihre glatten, wohlgerundeten Oberschenkel. Ein Schauer des Wohlbehagens läuft ihr den Rücken herunter, und ein Zittern durchläuft sie. Clutch kichert und sagt: »Du solltest Mr. Zahlenmagier nicht solchen Drek erzählen. Er hat gerade ein paar Nuyen gefunden, von denen ich nicht mal wußte, daß ich sie habe.«
Cherry lächelt. »Genug, um mir was echt Cooles zu kaufen?«
»So cool, wie du willst«, gurrt Clutch. »Zweihundert coole Riesen.«
»Zweihundert K Nuyen?«
Clutch nickt. Cherry staunt. Man stelle sich nur mal vor, er macht so viel Geld, daß er's gar nicht mehr überreißen kann. Sie hat immer gewußt, daß das Leben mit Clutch entweder wie Gold glänzen oder wie Diamanten funkeln würde.
Cherry lacht entzückt.
Clutch lacht ebenfalls.
12
In den wenigen Stunden seit der morgendlichen Besprechung hat sich der Konferenzraum in eine örtliche Niederlassung von Kono-Furata-Ko International verwandelt. Der lange Tisch ist jetzt mit Mitgliedern des Tokioter Revisionsstabs besetzt. Alle tragen schwarze Blazer und KFK-Anstecknadeln. Viele haben Palmtops oder auch richtige Cyberdecks in die Terminals des Konferenztisches gestöpselt. An den Wänden stehen mehrere Wägelchen mit zusätzlicher Ausrü- stung, wobei es sich allem Anschein nach in erster Linie um Massenspeichermodule handelt.
Am Kopfende des Raumes stehen jetzt drei schwarze Schreibtische. Der mittlere Schreibtisch ist von einer kleinen Menschentraube umgeben, noch mehr schwarze Blazer und KFK-Anstecknadeln. Amy geht zum linken Schreibtisch und sieht Kurushima Jussai am mittleren Tisch. Offenbar ist er gerade dabei, seinen Truppen Befehle zu erteilen. Er spricht das Japanisch viel zu schnell und flüssig, als daß sie mehr als ein paar Brocken oder gar etwas von Gehalt aufschnappen könnte.
Plötzlich wendet Kurushima den Kopf und sieht sie, und für einen winzigen Augenblick löst sich seine ausdruckslose Maske auf. Seine Augenbrauen zucken, als sei er überrascht. Er erhebt sich. Seine Truppen zerstreuen sich. Amy tritt auf Kurushima zu und verbeugt sich, dann schütteln sie sich die Hände. Jemand bringt ihr einen Stuhl. Zwei andere bringen hohe lackierte Wandschirme nach asiatischer Art und stellen sie auf, offenbar in der Absicht, die Illusion einer gewissen Abgeschiedenheit zu errichten.
»Vielen Dank für Ihr Kommen, Ms. Berman«, beginnt Kurushima. »Bevor wir uns offiziellen Dingen zuwenden, würde ich Ihnen gern ein paar Dinge erklären. Natürlich werden wir beziehungsweise unsere Stäbe, was diese Revision betrifft, eng Zusammenarbeiten. Daher will es mir wünschenswert erscheinen,, daß wir einander verstehen.«
Amy nickt. »Ich bin ganz Ihrer Meinung.«
»Vielen Dank«, sagt Kurushima, ebenfalls nickend. »Als Revisor bin ich es gewohnt, mich mit Fakten auseinanderzusetzen, in erster Linie mit Rechnungsdaten, die, wie Sie zweifellos wissen, notwendigerweise sehr präzise sein müssen.«
»Gewiß.«
»Aufgrund dessen lege ich manchmal zu wenig Geschick im Umgang mit Leuten an den Tag. Mir ist nicht entgangen, daß dies bei der Besprechung heute morgen der Fall gewesen sein könnte, besonders was meine Äußerungen gegenüber den Direktoren, Sie selbst eingeschlossen, hinsichtlich dieser Revision betrifft. Ich hoffe, ich habe Sie nicht beleidigt.«
Das ist fast eine Enttäuschung. Amy hatte mit einem Kampf gerechnet. Es wird schwierig werden, diesen Kampf in Gang zu setzen, wenn Kurushima weiterhin darauf besteht, so höflich zu sein, fast so vernünftig wie Vernon Janasova.
»Ich stamme aus New York, Mr. Kurushima«, sagt Amy. »Ich bin es gewohnt, daß beleidigende Leute beleidigende Dinge sagen. Aber ich habe weder Sie noch irgend etwas von dem, das Sie gesagt haben, als beleidigend empfunden.«
In der Pause, die sie absichtlich zwischen
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