Jäger und Gejagte
reißt Gürtel von Uniformen und Sprechfunkverbindungen aus dem Armaturenbrett.
In der Hektik dieser Augenblicke dröhnt eine Pistole neben ihrem Ohr auf, aber sie hört das Geräusch kaum und spürt das Brennen noch weniger, als ihr ein Streifen Fell und Haut von der Seite ihres Kopfes weggerissen wird. Sie trifft einen Kopf mit ihrer Pfote, und der Kopf knallt gegen das Fenster in der Beifahrertür, und einer der Cops wird schlaff. Er lebt noch, ist aber bewußtlos. Den anderen setzt sie ebenso rasch außer Gefecht.
Damit bleibt ein Problem, mit dem sie langsam allzu vertraut ist. Was soll sie anziehen?
Ihr Blick fällt auf die blauen Uniformen der Cops.
15
Amy?... Amy!«
Erschrocken sieht Amy auf und sich um.
Heute abend trägt sie ihr neustes, teuerstes Abendkleid, ihr Armante Starlight-Kleid aus hautengem, mit unechten Diamanten besetzten Goldstoff, der sie mit einem subtilen goldenen Schein umgibt. Eigentlich sollte das Kleid von jemandem mit einer viel üppigeren Figur als ihrer getragen werden, aber sie hat sich dazu durchgerungen, die Investition zu tätigen und das damit verbundene Risiko einzugehen, und zwar um des Mannes willen, der ihr gegenübersitzt.
Auf der anderen Seite des funkelnden Kristalltisches sitzt Harman Franck-Natali in seinem Saville Nights- Anzug, in dem er ganz wie der erfolgreiche Exec aussieht. Amy bemerkt, daß Harman sie ansieht, als sei er entweder verwirrt oder wütend, und das ist merkwürdig. Harman ist normalerweise die Beherrschung in Person. Was ist los?
Neben dem Tisch steht ein älterer grauhaariger Mann, ein Kellner im Frack, ein Spiegelbild der Würde und Eleganz der Alten Welt. Er paßt perfekt in die Umgebung. Der Hauptspeisesaal des Avant Tout ist durch das gedämpfte Licht der Kristalltische indirekt beleuchtet. An der Decke leuchten Regenbögen. Aus verborgenen Lautsprechern schallt leise der Gesang der Wale. Die Atmosphäre läßt sich als zurückhaltend opulent beschreiben.
»Würde es dir etwas ausmachen zu bestellen?« fragt Harman.
Auf dem Tisch vor ihr wartet die glitzernde Speisekarte. Natürlich hat sie sie sich kaum angesehen, und jetzt warten alle auf ihre Entscheidung. Harman wartet schon wieder. Früher am Abend hat sie ihn fast eine halbe Stunde warten lassen, in der sie sich angekleidet hat. »Was nimmst du?« fragt sie.
»Es dauert noch ein paar Minuten«, sagt Harman zum Kellner.
»Selbstverständlich, Sir. Madame.« Der Kellner verbeugt sich und geht.
Harman hebt die rechte Hand, Handfläche nach oben, als wolle er fragen, was los ist, und sagt: »Wirke ich so einschläfernd auf dich?«
»Entschuldige«, sagt Amy, die plötzlich die Enttäuschung in seinen Augen sieht. Sie kann gerade noch ein Stöhnen unterdrücken. »Ich verderbe alles.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Es ist die Arbeit. Ich bekomme sie einfach nicht aus dem Kopf.«
Harman zögert einen Augenblick, wobei er sie mustert, dann sagt er: »Warum vergessen wir das Essen nicht einfach? Für mich war es auch ein langer Tag. Wir können uns irgendwo etwas zu essen holen, und ich fahre dich nach Hause. Unterwegs können wir uns unterhalten.«
Amy nickt, dankbar, traurig und enttäuscht, aber resigniert.
Harman hat gewollt, daß dies ein besonderer Abend wird. Sie treffen sich jetzt seit genau einem Jahr, und es hat den Anschein, als würde es etwas mit ihrer Beziehung. In letzter Zeit reden sie immer von ›wir‹ und ›uns‹, wenn sie sich über die Zukunft unterhalten. Amy gefällt das. Es hat lange gedauert, bis sie jemandem begegnet ist, mit dem sie solche Gespräche führen kann wie mit Harman. Sie hat das sichere Gefühl, daß er derjenige sein könnte, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen kann. Sie hofft es. Sie hofft, er versteht, daß ihre Probleme heute abend nichts mit ihren Gefühlen für ihn zu tun haben.
Sie gehen zur Tür. Harman holt ihren Schal aus der Garderobe und legt ihn ihr behutsam um die Schultern.
Ihr gelingt ein Lächeln des Dankes. Ein befrackter Türsteher begleitet sie nach draußen und zu dem breiten, halbkreisförmigen Weg, der um den Springbrunnen vor dem Haupteingang des Restaurants herumführt. Ein Parkwächter im schwarzen Anzug bringt Harmans stattlichen Mitsubishi Patrician. Der Türsteher öffnet Amys Tür.
»Au revoir, Madame.«
»Ja. Vielen Dank. Gute Nacht.«
Harman fährt auf die Siebte und Richtung Innenstadt. Nur ein paar Blocks nördlich vom Times Square befindet sich einer der kleinen Schätze dieser
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