Jäger und Gejagte
Sie ist nicht in Ztech geschrieben, das steht fest. Immer noch zerhackt und verschlüsselt. Immer noch unleserlich. Aber warum?
Die goldene Elektronensonne am Himmel kommt ihr langsam sehr heiß vor, und Amy spürt, wie ihr aus den Achselhöhlen Schweißtropfen die Seiten herunterlaufen und sich ein unangenehmes Gefühl der Unruhe in ihrem Magen regt.
Hier stimmt etwas nicht.
21
Ivar Grubner rülpst.
»Du verdammtes Ekel!« ruft Novangeline.
Ivar kann sich weder ein Grinsen noch einen zweiten Rülpser verkneifen, einen richtig lauten, gurgelnden, als käme er direkt aus dem untersten Bereich seiner Gedärme. Natürlich kreischt Novangeline auf, springt von seinem Schoß und dann vom Bett herunter und beugt sich dann vor, um ihm einen Schlag auf die Brust zu verpassen.
»Du bist so widerlich! Warum versuche ich überhaupt, versuche ich...!«
»Paß auf. Ich muß gleich furzen.«
Novangeline kreischt und schluchzt und stürmt aus dem Schlafzimmer, aber doch nicht schnell genug, um den langgezogenen Kanonenschlag von einem Furz zu verpassen, den Ivar kommen gespürt hat. Ein echter Hammer von einer Sprengbombe - und ein stinkender noch dazu. Aber, hey, das hat die Schnalle eben davon, daß sie ihn mit ihrem gashaltigen Fabrikmampf vollgestopft hat.
Plötzlich ist sie wieder da, steht mit einem komischen Ausdruck in den Augen und einer Hand vor dem Mund in der Tür, als habe sie Angst vor dem, was jetzt kommt. Muß sie auch rülpsen?
»Da ist jemand am Telekom...«, sagt sie, wobei sich ihre Stimme verliert.
Ivar grunzt. »Ich habe kein Klingeln gehört.«
»Ich habe abgehoben, und da war sie in der Leitung. Ich nehme an, bevor es klingeln konnte. Es ist eine Glatte, irgendeine Frau. Sie sagt, sie ist von der Firma. Deiner Firma. Amy Berman?«
»Wer?«
»Amy...«
Ihm geht ein Licht auf - ihr Vorname hat ihn vorübergehend verwirrt. »Verdammte Scheiße!« ruft Ivar, indem er aus dem Bett springt und zur Schlafzimmertür eilt. Sie können ja auch keinen Schlafzimmeranschluß haben wie alle anderen auf der Welt! Nein, er muß auf seinen kurzen Zwergenbeinen den ganzen Weg ins Wohnzimmer laufen, dann den Hörer nehmen und halb außer Atem sagen: »Ja ... äh... Ms. Berman! Hoi! Ich meine, hallo?«
Ein rundliches glattes Normgesicht starrt ihn vom Telekomschirm an. Tatsächlich, es ist Ms. Berman. Obwohl, irgendwas scheint nicht zu stimmen. Ihre Augen sind auf eine Stelle weiter unten gerichtet. »Ahem...« Ivar wirft einen flüchtigen Blick an sich herab, schnappt sich ein Kissen vom Sofa und bedeckt seine Körpermitte. »Was... äh... was für eine Überraschung, Ms. Berman! Sie haben mich direkt auf dem Schei... äh... unter der Dusche erwischt. Tut mir leid. Irgendwie hab ich die Klamotten ganz vergessen, wissen Sie!«
Die runden Augen in dem Gesicht auf dem Schirm blinzeln ein paarmal, dann sagt Ms. Berman: »Nein, mir tut es leid, Ivar. Entschuldigen Sie, daß ich so spät noch anrufe. Ich muß Sie um einen Gefallen bitten. Es ist wichtig.«
»Klar, was Sie wollen«, sagt Ivar eifrig. Ms. Berman ist einer von den Oberbonzen bei Hurley-Cooper, also dort, wo Ivar arbeitet. Direktor von irgendwas. Solche Leute muß man sich warmhalten, möglichst immer, besonders dann, wenn gerade Revisoren aus Tokio angekommen sind und überall rumschnüffeln.
»Ist mir immer ein Vergnügen zu helfen, Ms. Berman«, fügt Ivar hastig hinzu, um nicht großspurig zu erscheinen. »Hat es irgendwas mit den Compis zu tun?«
Ms. Berman nickt. »Ja, es handelt sich um eine kleine Datei. Sie ist verschlüsselt, aber ich weiß nicht, wie. Ich hoffe, Sie können sie für mich decodieren.«
»Klar. Jagen Sie sie rüber.«
»Oh... äh... Augenblick.« Ms. Bermans Gesicht verschwindet kurz vom Schirm, dann ist es wieder da, und sie sagt: »In Ordnung, ich bin sendebereit.«
»Nur zu, ab dafür.«
Die Datei ist in Windeseile gespeichert. Nicht einmal ein Megapuls Daten. Dürfte kein Problem sein. Die wirklich gefährlichen Verschlüsselungsprogramme, die einem das Deck leerfegen und obendrein vielleicht noch den Verstand, benötigen alle mindestens ein paar Pulse Programmcode, um... nun, um ihr Programm auszuführen. Um was auch immer zu tun. Diese Datei ist nicht groß genug.
»Alles klar. Augenblick.«
Ivar eilt in die Küche, um sein Cyberdeck zu holen, den Cruncher, den er aus einem Fuchi und einem Fairlight zusammengebaut hat und demzufolge nennen kann, wie er will. Das Deck hat mehr Speicherkapazität
Weitere Kostenlose Bücher