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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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enthält Daten, von denen manche bis zu fünf Jahre zurückreichen. Die Spalte danach enthält Zahlen, alle mit zwei Stellen rechts vom Dezimalkomma. Die Zahlen sehen wie Geldsummen aus.
    Amy hat alle üblichen Managementkurse in der Schule belegt. Sie weiß, daß Zahlen trügerisch sein können. Sie weiß auch, daß einem stillschweigende Annahmen den Blick für die Realität verstellen können. Trotzdem gibt es zwei Punkte, an denen sie nicht vorbeikommt, wie sehr sie sie auch zu rationalisieren versucht: Erstens, in der Geldsummenspalte finden sich Zahlen, die ganz genau dem Wert jener siebenundzwanzig Gegenstände entsprechen, für die sie bis jetzt noch keinen Verbrauchsnachweis gefunden hat; zweitens, die Daten dieser Zahlen entsprechen den Zahlungsdaten in ihren Einkaufsunterlagen.
    Was nicht übereinstimmt, sind die Namen, und das ist der Punkt, der ihr Kopfzerbrechen bereitet. Wenn diese Datei eine Liste von Zahlungen ist, dann muß es sich bei den Namen, die zu den Daten und Beträgen gehören, um Zahlungsempfänger handeln. Doch diese Zahlungsempfänger stimmen nicht mit denjenigen in ihren Einkaufsunterlagen überein, und das läßt auf eine Fehlleitung von Finanzen schließen, was wiederum die Möglichkeit des Betrugs nahelegt.
    Schlimmer noch, die mysteriöse Datei beinhaltet mehr als siebenundzwanzig Gegenstände. Unter dem Strich ergibt sich ein Gesamtwert von fast dreizehn Millionen Nuyen.
    Gehört diese Datei zu irgendeinem Spiel? Oder benutzt ein Angestellter das Netz der Metawissenschaftsgruppe, um seine persönlichen Finanzen aufzubessern? Amy kann das nicht akzeptieren. Zwei Spalten von dreien in dieser Datei könnten direkt aus ihren eigenen Unterlagen kopiert worden sein. Die Übereinstimmung zwischen Daten und Nuyenbeträgen ist exakt. Warum weichen die Zahlungsempfänger ab? Dafür muß es einen Grund geben. Warum will ihr keine vernünftige Erklärung einfallen, die einen Sinn ergibt? Im Gegenteil, je länger Amy darüber nachdenkt, desto mehr Sorgen macht sie sich, daß ihre Einkaufsunterlagen falsch sein könnten, daß sich jemand aus der Metawissenschaftsgruppe an Hurley-Cooper-Geld bereichert, indem er Zahlungen an die in der mysteriösen Datei aufgeführten Empfänger leistet.
    Das könnte sehr schlimm enden. Und nicht nur für Hurley-Cooper.
    Wenn es sich wirklich um Betrug handelt, und wenn die Leute aus Tokio entscheiden sollten, daß Amy mitschuldig ist, könnte sie nicht nur ihren Job verlieren, sondern ihre gesamte berufliche Zukunft. Und natürlich würde man ihr nicht nur eine Mitschuld geben, sondern die ganze Schuld. Das gesamte Direktorat würde verantwortlich gemacht, und sie in erster Linie, weil der Einkauf unter ihre Zuständigkeit fällt.
    Sie muß herausfinden, was los ist, wer diese Datei angelegt hat und warum. Wenn es sich um Betrug handelt, muß sie den Schuldigen entlarven und den Revisoren vollendete Tatsachen - die ganze Geschichte - präsentieren, eine hieb- und stichfeste Darstellung der Geschehnisse, den oder die Täter und vielleicht noch ein unterschriebenes Geständnis. Andernfalls wird sich ihre Karriere und alles, wofür sie gearbeitet hat, in Luft auflösen.
    Als sie schließlich zu Hause ankommt, erwägt sie, gleich morgen früh zuallererst zum Verwaltungsdirektor zu gehen in der Hoffnung, sich die Macht der Abteilung dieser Frau für ihre Untersuchung zunutze machen zu können.
    Das klingt doch ganz vernünftig, oder nicht?
    Immer noch unentschlossen geht Amy in ihr Schlafzimmer, bleibt dann jedoch abrupt stehen, als sie zufällig einen Blick in das Wohnzimmer wirft. Dort ist es dunkel, und Harman sitzt auf dem Sofa, aber warum sitzt er dort im Dunkeln? Sie geht zu ihm, und er steht auf, und plötzlich ist es gar nicht Harman...
    Es ist... Es ist...
    »Scottie? O mein Gott! «
    Es ist ein Schock, ein Schlag ins Gesicht, ein Tritt in den Magen. Ihr Helm und ihr Rucksack fallen ihr aus der Hand. Irgend etwas umklammert ihre Brust und preßt ihr die Luft aus den Lungen. Plötzlich fühlt sie sich schwach, so schwach, daß sie in Ohnmacht fallen könnte; ihr Herz hämmert, und ihre Kehle ist wie ausgedörrt.
    Die Gestalt, die sich vom Sofa erhebt, ist ihr jüngerer Bruder Scottie, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat, von dem sie seit Jahren kein Lebenszeichen mehr erhalten hat. Er geht einen Schritt auf sie zu. Sie zögert einen Augenblick, dann kommt sie ihm rasch drei Schritte entgegen und wirft ihm die Arme um den Hals. »Scottie«, japst sie

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