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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Augenwinkeln beobachtete ich, wie sie ihre Sachen
zusammenpackte, aus dem Zimmer ging und die Tür hinter sich
zuzog.
    Ich hörte, wie das Schloss einschnappte.
    Lissa und der Mann in Grau fingen draußen eine hitzige
Diskussion an. Ich schnappte Übergangsstadium und alles beendet auf. Sie brüllten sich regelrecht an,
dennoch verstand ich nach den ersten paar Sätzen kein Wort mehr,
da sie ins Ungarische oder Russische gewechselt hatten.
    Ich versuchte, mich aufs Einschlafen zu konzentrieren. Als ich
einen Blick auf den Wecker neben dem Bett warf, war es 22 Uhr. Also
hatte ich ein wenig geschlafen. Mein Körper fühlte sich an,
als wäre irgendeine Krankheit im Anzug. Mir war heiß und
kalt zugleich. Es konnte eine schwere bakterielle Infektion sein.
Vielleicht machten Lissas Bakterien nicht nur gefügig, sondern
lösten auch schwere Krankheiten aus. Kleine Fleischfresser.
Wäre das nicht ein irrer Spaß?
    »Wie sieht eigentlich deine Finanzplanung fürs
Rentenalter aus, Liebes?«, rief ich in die Dunkelheit und
hoffte, sie würde zurückkommen und mich ohrfeigen. Alle
möglichen kleinen Sorgen gingen mir durch den Kopf, vor allem
als ich sah, dass eine weitere Stunde verstrichen war und ich noch
immer keinen Mucks von draußen gehört hatte. Ob sie was
dagegen hatte, wenn ich das Bett verließ?
    »Schlaft ihr alle zusammen in Schlafsälen?«, rief
ich. »Oder ist es ein bisschen wie in einem, du weißt
schon, Shaker-Dorf? Sicher seid ihr sexuell nicht enthaltsam. Oder
doch, innerhalb der eigenen Familie? Du hast doch behauptet, du
hättest eine, aber eigentlich bist du ja ein Waisenkind aus Budapescht. Da gibt’s viele schöne Frauen.
Überall dort. In der früheren Sowjetunion, in Ungarn,
Rumänien und Tschechien. Die wollen alle in die Staaten kommen
und reiche Typen heiraten.«
    Die Tür öffnete sich nicht. Vielleicht konnte ich ihre
Aufmerksamkeit erregen, indem ich etwas Unartiges tat. Ich sah mich
im Zimmer um, stand auf und knipste alle Lampen an. Zog mich bis auf
die Unterhose aus. Überprüfte die elektrischen Leitungen.
Eine war ausgefranst. Ich hielt den nackten Kupferdraht an das
weiße Futtermaterial, das aus den Nähten der billigen
Bettdecke quoll. Nichts passierte.
    Ruhelos ging ich im Zimmer auf und ab und dachte über das
nach, was Lissa gesagt hatte. Sie würde mich nicht dazu zwingen,
jemand anderem etwas anzutun. Vielleicht konnte sie es auch gar
nicht. Ich hatte Silks bakterielle Überzeugungskraft in Montoyas
Tauchkapsel erlebt, später auch in dem Hotelzimmer in San
Francisco, in dem ich zusammen mit Banning untergetaucht war. Und ich
spürte sie jetzt. Aber sie konnten aus mir keinen Mörder
machen. Das stimmte mich froh. Die kesse kleine Witwe meines
Zwillingsbruders konnte mich nicht dazu bringen, jemand anderen zu
töten. Das war wichtig.
    Jeder von euch kannte eine Hälfte des
Geheimnisses.
    Mein Blick schweifte vom Frisiertisch zum Nachttisch in der Ecke.
Lissa hatte überall im Zimmer kleine Streichholzbriefchen
herumliegen lassen. Wie entgegenkommend. Wahrscheinlich würde
sie ins Zimmer zurückkommen und nachsehen, ob ich ein Feuer
angesteckt hatte. Sie würde es bestimmt zu schätzen
wissen.
    Ich brach ein Streichholz aus dem erstbesten Briefchen heraus,
riss es an und ließ es in den Papierkorb aus Edelstahl fallen.
Sofort fing die kleine Papierunterlage am Boden Feuer und begann zu
qualmen. Neugierig sah ich zum Rauchmelder empor. Nicht ein Pieps.
Wahrscheinlich waren die Batterien leer. Schäbiges Hotel.
Holzrahmen, Pressspan. Ein offener Dachboden. Wie geschaffen
dafür, Luft anzusaugen und Flammen zu verbreiten. Würde
schnell brennen, wie ein Stapel trockener Obstkisten.
    Aus dem Bad holte ich Papiertücher und verstreute sie im
Zimmer, während ich mich fragte, welche kleinen Areale meines
Gehirns die Bakterien von Silk aktivierten. Aufgenommen über
meine Haut. Meine Nase. Meinen Schwanz? Meinen Harnleiter hinauf?
Über den salzigen Kaffee in meinen Magen gelangt, danach in die
Gedärme. Hatte irgendwas mit Dopamin und
Adenylat-Zyklase-Hemmern, aktivierten G-Proteinen und zyklischem AMP
zu tun. Ein kleines Symphonieorchester subtiler Wirkungen, direkten
und indirekten.
    Löste es den Drang zu Gewalttaten aus? Bei mir wohl eher den
Drang, einer starken Frau zu gefallen – meiner Mutter, meiner
Frau. Frauen haben einen so starken Einfluss auf junge Männer.
In Hotelzimmer eingeschlossener Pyromane sehnt sich nach einer guten
Einreibung: Baby won’t you light my

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