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Jäger

Jäger

Titel: Jäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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während der ersten sieben Stunden viel Beachtung geschenkt
hätte, aber Bloom begann nach zwei Stunden nervös
herumzuzappeln, nach drei auf und ab zu gehen, bis er sich nach
dreieinhalb Stunden entschuldigte und das Labor erneut
verließ.
    Wir anderen hatten alle Hände voll zu tun. Diese
einzigartigen lebenden Fossilien starben entweder oder waren bereits
tot und alle ihre Geheimnisse verblassten mit ihnen. Wir mussten
schnell handeln.
    Zuerst machte ich eine Bestandsaufnahme und setzte die sich daraus
ergebenden Prioritäten: Mit einem Greifarm schob ich vorsichtig
Fragmente und eindeutig tote Organismen in einen speziell darauf
vorbereiteten Behälter. Ich beauftragte Valerie damit, in
einigen Kubikzentimetern Gallertmasse, die ich auf andere Weise nicht
identifizieren konnte, die vorhandenen Eiweiße zu analysieren.
Damit war sie mehrere Stunden beschäftigt. Sie benutzte
dafür das Applara-Gerät – ein Apparat so groß
wie ein Brotkorb, der in der Lage war, mit der Geschwindigkeit von
fünfhundert Aminosäureverbindungen pro Minute eine
umfassende Eiweißanalyse durchzuführen.
    Ich bezweifelte, dass diese Kreaturen mehr als ein paar Tausend
Proteine verwendeten. Ein durchschnittlich großes Protein
umfasst rund tausend Aminosäuren. Nach ein paar Stunden hatten
wir eine vorläufige Liste der in der Gallertmasse enthaltenen
Proteine und einige Hinweise auf die Art der Gene und Nebenprodukte,
die wir finden würden, wenn wir die Nukleinsäuren durch
einen Sequenzierer schickten.
    Während Valerie arbeitete, verbrachte ich eine Stunde nur
damit, die unversehrten Organismen im Haupttank anzustarren. Shun
stand die meiste Zeit neben mir, hielt jedoch wohlweislich den
Mund.
    Wenn ich ein flammender, vom Forschungsdrang getriebener Geist
war, dann war sie ein kühler, unauffälliger Schatten –
oder der schwertführende Arm meines Engels Montoya. Es war mir
egal. Nichts machte mir mehr Angst als ein möglicher
Misserfolg.
    Das größte unserer Exemplare, das
fächerförmige Blatt, hatte eine gummiartige Konsistenz und
die Form einer Feder mit zahlreichen zusammengepressten Rippen; seine
Farbe war ein schlammiges Grün mit einem leichten Stich ins
Gelbliche. Es war ungefähr zwanzig Zentimeter lang, an der
breitesten Stelle etwa zehn Zentimeter breit und sah aus wie ein
Blatt aus Luftpolsterfolie.
    Es war eindeutig kolonienbildend und, verglichen mit seinen
Artgenossen, recht robust. Vor allem aber lebte es noch. Meine erste
Vermutung war, es müsse aus xenoähnlichen Einzellern
bestehen. Jede sackähnliche Ausstülpung war eine einzelne
Zelle, deren Größe von wenigen Millimetern bis zu mehreren
Zentimetern variierte.
    Die meisten uns heute bekannten Zellen sind mikroskopisch klein
und benötigen nur einen einzigen Zellkern – den zentralen
Computer und die Fabrik, die die Chromosomen enthält. Diese
Zellen jedoch waren viel größer als die meisten uns
bekannten. Im Überschwang meiner Spekulationen ging ich davon
aus, dass jede Komponente – wie bei Xenos – mehrere
Zellkerne besitzen müsse, um die Bildung und Bereitstellung der
nötigen genetischen Erzeugnisse – ribosomale RNS, Proteine
und so weiter – zu beschleunigen und ihre Verteilung über
das vergleichsweise große zytoplasmatische Territorium zu
gewährleisten.
    Ein solches vertrautes Muster war eigentlich zu erwarten.
    Doch als wir behutsam eine Zelle aus der federähnlichen
Kolonie entfernten, sie einfroren und von ihr feine mikroskopische
Schnitte anfertigten, die wir zur Betrachtung unter dem kleinen
Elektronenmikroskop unseres Labors auf Objektträgern fixierten,
stellte Dan fest, dass überhaupt keine Zellkerne existierten.
Die Zelle war ein Klecks gallertartiger Masse mit freien,
kreisförmigen Chromosomen, die in einer dicken, aber einfach
strukturierten Membran schwammen. Das allein genügte schon, sie
einer Bakterien- oder Archäenart zuzuordnen, die ihre DNS nicht
in Zellkernen absonderte.
    Doch die Zelle wurde von einem Zytoskelett unterstützt, das
von Mikrotubuli durchzogen war und unter dem Mikroskop wie ein
Bündel von Glasfasern aussah. Bakterien und Archäen haben
keine Zytoskelette.
    Die präparierte Zelle war so groß wie die Spitze meines
kleinen Fingers. Als wir eine weitere Zelle untersuchten, stellte
sich heraus, dass in ihr zahlreiche ungebundene Bakterien
verschiedenster Art lebten und sich ihren Weg durch das
zytoplasmatische Gel bohrten. Manche dieser bakteriellen
Eindringlinge waren ziemlich groß – mehrere

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