Jäger
erhalten nicht
mehr den Befehl, die Funktion einzustellen oder zu altern. Sie werden
ihre Fähigkeit, sich selber zu reparieren, nicht verlieren. Und
bleiben jung.«
»Sagenhaft. Sie wissen also, wie Sie uns reparieren
können?«
»Noch nicht«, erwiderte ich. Wunder zu bewirken
würde Jahre, nicht Tage dauern. »Obwohl ich auf die
Ergebnisse früherer Arbeiten zurückgreifen kann, muss ich
die fünf oder zehn weiteren Proteine finden, die von Hades dirigiert werden. Hades unterbindet die Instandhaltung der
Zellen, die uns jung erhalten würde. Diese Proteine stehen
möglicherweise auf der Liste. Ich muss die Sequenz der nicht
gebundenen Chromosomen – weniger als ein paar Millionen
Basenpaare – bestimmen. Und ich möchte einige Tests zur
Analyse der DNS durchführen, Fragmente der DNS reproduzieren und
genetische Ähnlichkeiten abgleichen. Ich bin mir sicher, dass
wir Menschen an irgendeiner Stelle noch immer dieselben Gene besitzen
und gut konserviert haben.«
»Meine Glückwünsche, Hal«, sagte Montoya. Er
klang nicht gerade begeistert, aber bislang waren alle Neuigkeiten,
wie er gesagt hatte, ja auch wirklich beschissen gewesen. »Geben
Sie mir Betty.«
Recht ernüchtert reichte ich Betty das Handy. Sie lauschte
eine Weile Montoyas Worten, dann klappte sie es zu und sah mich
an.
»Owen besteht darauf, dass das Dinner auf seine Rechnung
geht. Und nach dem Essen möchte er Sie sehen. Er kommt mit dem
Helikopter nach Seattle.«
Dan und Valerie klatschten mich mit dem Rapper-Gruß gegen
meine Hand. Betty war weniger euphorisch, den Grund sollte ich
allerdings erst fünf Stunden später erfahren.
Auch reiche Gönner verlangen zuweilen Gegenleistungen
für gezahlte Zechen.
Kapitel 15
Im Canlis speiste man in ebenso eleganter wie ruhiger
Atmosphäre. Das dunkle, grau gefleckte Holz und die weißen
Tischdecken bildeten den gediegenen Rahmen für einen
fantastischen Blick auf den Lake Union. Ein derartig aufwändiges
Abendessen konnte ich mir nur selten leisten, also hätte ich es
genießen sollen. Aber ich war plötzlich so nervös und
aufgeregt, dass ich es gerade noch fertig brachte, Dan und Valerie
mit einem Glas Sekt zuzuprosten und in meinem Teller
herumzustochern.
Um Mitternacht verabschiedeten wir uns per Handschlag und gingen
unserer Wege. Betty Shun fuhr mich in ihrem Lexus zu einer von
Montoyas vier Wohnungen in Seattle, einem Penthouse im obersten Stock
eines Wohnturms, weniger als fünf Blocks entfernt. Ich nickte
während der kurzen Fahrt ein.
Betty weckte mich, als sie in der Tiefgarage die Handbremse anzog.
Ich fuhr erschrocken hoch. Sie starrte mich an. Im unbarmherzigen
Neonlicht der Tiefgarage schimmerte ihr Gesicht blassviolett.
»Ich habe eine Frage«, sagte sie. »Warum wollen Sie
eigentlich tausend Jahre leben? Warum wollen Sie den Menschen anders
erschaffen, als es vorgesehen ist?«
Ich neigte den Kopf zur Seite, um eine Verspannung in meinem
Nacken zu lösen. »Ein langes Leben ist besser als ein zu
kurzes.«
»Das Leben ist voller Schmerz und Enttäuschungen. Warum
dieses Elend noch verlängern?«
»Ich finde nicht, dass das Leben nur aus Schmerz und
Enttäuschungen besteht.«
»Ich bin Katholikin«, erklärte Betty Shun, den
Blick noch immer forschend auf mich gerichtet. »Ich weiß,
dass die Welt schlecht ist. Meine Großmutter ist Buddhistin.
Sie weiß, dass die Welt nur Illusion ist. Ich möchte ein
gesundes, nützliches Leben führen, aber ich möchte
nicht ewig leben. Ich glaube, nach dem Tod erwartet uns etwas
Besseres.«
»Ich bin eher Schintoist«, sagte ich. »Ich glaube,
dass wir von einer lebenden Welt umgeben sind, die ohne Unterlass
denkt und arbeitet, und dass alle lebenden Dinge wissen wollen, was
vor sich geht. Wir leben nur nicht lange genug, um das
herauszufinden. Und wenn wir sterben, ist alles zu Ende. Es gibt
keinen zweiten Akt.«
»Sie nehmen dadurch anderen, die noch nicht geboren sind, den
Platz weg.«
»Wenn die Welt voller Schmerzen ist, wie Sie sagen, tue ich
ihnen einen Gefallen«, entgegnete ich gereizt. Ich hatte keine
Lust, mitten in der Nacht ein philosophisches Streitgespräch auf
Schülerniveau zu führen, nicht nach diesem langen Tag voll
harter, erkenntnisreicher Arbeit.
Betty Shun warf mir einen kurzen Blick zu, ihr Gesicht war dabei
so ausdruckslos wie immer. Dann öffnete sie die Fahrertür,
um auszusteigen.
Verglichen mit dem gigantischen Haus auf Anson Island wirkte das
Penthouse geradezu bescheiden. Es hatte weniger als
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