Jaegerin der Daemmerung
meinem Schutz.«
Wortlos wickelte Razvan sich ihren Zopf um die Hand und brachte, statt etwas zu sagen, seinen Puls mit ihrem Herzschlag in Einklang.
»Wenn ich mit seinen Zaubersprüchen arbeite, Razvan, ist das ein gefährliches Unterfangen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie gefährlich es ist. Du erzähltest einmal, du seiest nicht gut, wenn es um Zaubersprüche geht. Ich dagegen schon. Es ist eine anstrengende Arbeit. Ich muss die Worte in meinem Kopf formen, muss Bilder im Geiste heraufbeschwören und mich von ihnen leiten lassen. Ich kann mir keinen Fehler erlauben, wenn ich mich mit seinen Zaubersprüchen befasse.«
Razvan atmete mehrmals tief durch. Ihm war anzusehen, wie sehr er um seine Fassung rang. »So ganz verstehe ich es dennoch nicht.«
Ivory umfasste den Raum mit einer Geste. »Wir befinden uns hier in meiner Festung aus massivem Felsen. Er kann mich hier nicht ausfindig machen. Doch wenn ich nur für den Bruchteil einer Sekunde vergesse, mit wem ich es hier zu tun habe, mache ich mich verwundbar.«
Razvan runzelte die Stirn. »Sogar hier?«
»Ja. Er ist das Böse in Person. Die erste Zeile sagt alles. Der Zauberer schreitet voran, während die Tore der Hölle sich schließen. Er ist nicht von dieser Welt. Er war eine Zeitlang in der Hölle, ist aber zurückgekehrt und braucht jetzt dringend das Blut anderer, um zu überleben.«
Der Ausdruck auf Razvans Gesicht wurde zunehmend nachdenklicher. »Ich habe mehrere Jahrhunderte mit ihm zusammengelebt. Er ist böse, ja, aber er ist kein Teufel, sondern ein Zauberer.«
Ivory nickte. »Ja, er ist ein Zauberer. Aber alles im Universum ist im Gleichgewicht. Wenn es einen Quell des Guten gibt, gibt es auch einen Brunnen des Bösen. Es ist möglich, die natürlichen Elemente der Erde für einen guten Zweck einzusetzen. Das geschieht immer bei Heilungen oder anderen Dingen, die unser Volk braucht. Es ist aber ebenso gut möglich, mit ihrer Hilfe Dämonen heraufzubeschwören und mit ihnen gemeinsame Sache zu machen.«
»Genau das tut er. Ich habe mit eigenen Augen die widerlichsten Kreaturen in seinen Höhlen gesehen. Allerdings sind mir nie Türen in eine andere Welt oder ein anderes Reich aufgefallen, die ein Zauberer durchschreiten könnte.«
»Ich bin überzeugt davon, dass er nicht so töricht wäre, jemanden darüber Bescheid wissen zu lassen. Er will für jeden ein übermächtiges Wesen sein - erst recht sich selbst gegenüber. Er braucht die Illusion. Soweit ich mich aus meiner Zeit bei ihm erinnern kann, hat er die Lehrlinge daran gesetzt, die Zaubersprüche zu entwerfen, und sie dann als Ausgangsbasis für seine eigenen benutzt. Ich bin mir sicher, er ist gar nicht mehr in der Lage, eigene Sprüche zu entwickeln. Jeder Zauberer hat einen Rhythmus, einen Kniff, wie er arbeitet und was er dafür braucht. Sozusagen eine Art Unterschrift. Xaviers Zaubersprüche hingegen setzen sich aus den Unterschriften anderer zusammen.«
Razvan fuhr sich aufgeregt mit den Händen über das Gesicht und anschließend durch das Haar. »Was ist dir sonst noch an ihm aufgefallen?«
Ivory rieb ihm zärtlich den Arm, um ihn zu beruhigen. »Ich weiß, wie aufwühlend es für dich ist, über ihn zu reden.«
Bei ihrer Berührung lief ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. Er würde bis an sein Lebensende darüber staunen, dass Ivory vom Schicksal für ihn ausgewählt worden war. »Deine Beschreibungen sind so treffend. Ich, der so lange bei ihm gelebt hat, dachte, ich würde ihn besser als jedes andere lebende Wesen kennen, aber ...« Er deutete auf das aufgeschlagene Buch. »Aber du bist diejenige, die das Wesentliche über ihn herausgefunden hat.«
»Wollen wir hoffen, dass du recht hast, Razvan. Ich setze nämlich unser beider Leben aufs Spiel.« Ivory nahm Razvan an der Hand und zog ihn in den Gedenkraum, wo sie sich in die beiden Sessel sinken ließen. »Ich muss sicher sein, dass wir am gleichen Strang ziehen, Razvan, dass du mich bei dieser Sache unterstützt. Vor uns liegt eine schwere Aufgabe, und es wäre fatal, wenn wir vor ihm stünden und du zaudern würdest.«
Mit einem ruhigen Blick in den Augen lehnte Razvan sich nach hinten. »Deine Sorge ist unbegründet. Ich werde nicht zurückzucken. Wir stehen das zusammen durch. Dafür habe ich mich entschieden, als du mich darum gebeten hast, mein Leben nicht wegzuwerfen. Mir war von Anfang an klar, dass wir ihn jagen würden.«
Ivory stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie hätte nicht an ihm
Weitere Kostenlose Bücher