Jaegerin der Daemmerung
vorsichtig entfernte, schrie der Junge aus Leibeskräften weiter. Als ihre Finger über das blutige Mal um den Hals des Jungen strichen, fasste sie sich unbewusst mit der anderen Hand an den eigenen Hals. Ihre Hand zitterte, als sie sich einen Moment daran erinnerte, wie ein scharfer Draht in ihre Haut geschnitten hatte.
Wenn sie sich nicht irrte, war der Junge acht oder neun Jahre alt. Er hatte ein schmales Gesicht und große intelligente Augen, mit denen er sie musterte und beobachtete, wie sie sich neben ihn beugte, um die andere Hand zu befreien.
Hinter dir, warnte das Alphamännchen sie.
Ivory spürte, wie sich das große Tier darauf vorbereitete, von ihr abzuspringen, um den Gegner anzugreifen. Als Raja seinen Kopf von ihrem Nacken hob, schnappte der Junge hörbar nach Luft. Schnell steckte Ivory ihm den Drahtschneider zu und streckte die Arme seitlich von sich, wobei sie in die Hocke ging und nach der auf dem Boden liegenden Armbrust griff.
Alarmiert riss der Junge vor Furcht seine Augen auf, als er ihr über die Schulter schaute und einen großen Mann mit einer Axt auf sie zukommen sah. Mit leerem Gesichtsausdruck kam der Waldarbeiter auf sie zu, die Augen blutunterlaufen. Obwohl noch einige Schritte entfernt, hob er die Axt, um sie gegen Ivory zu schwingen. Der Junge versuchte, einen Warnruf auszustoßen, brachte aber keinen Ton heraus.
Die Jägerin verspürte den leichten Schmerz, der sich jedes Mal einstellte, wenn ihr Rudel sich von ihr löste. Mit ihr weiter geistig verbunden, gingen die Tiere völlig lautlos zum Angriff über. Kaum hatten sich ihre Finger um die Armbrust geschlossen, sprang Ivory auf, landete in geduckter Haltung auf einem Knie und gab einen Schuss auf den Angreifer ab. Die Wölfe hatten sich auf ihn gestürzt und zogen ihn unerbittlich nach hinten. Mit offenem Mund staunte der Junge eher über die sechs silbernen Wölfe, als dass er sich vor dem seelenlosen Angreifer gefürchtet hätte.
In seine Arme verbissen, drängten die Wölfe den Ghul zurück. Während Raja nach seiner Kehle schnappte, versuchten die anderen, auch noch seine Beine zu erwischen. Wie alle Marionetten war auch diese hier sehr stark und von den Vampiren auf das Töten programmiert. Einmal losgelassen, konnte man sie kaum stoppen. Aber die Wölfe schafften es, ihn niederzuwerfen und ihn in einem silbernen Fellknäuel am Boden zu halten.
Als Ivory spürte, wie sich die Energie in der Luft und am Boden schlagartig veränderte, lief sie zurück zum Jungen. »Beeile dich. Wir bekommen gleich unliebsamen Besuch.« Zum Schutz des Jungen stellte Ivory sich zwischen ihn, den vor Wut schäumenden und zappelnden Ghul, und das, was in wenigen Augenblicken vor ihr Gestalt annehmen würde.
»Travis! Trav! Geht es dir gut?« Zwischen den Bäumen tauchte ein Mann auf. Als er den Ghul, die Wölfe und die stark bewaffnete Frau bemerkte, die ihre Armbrust geradewegs auf sein Herz richtete, kam er abrupt zum Stehen.
»Gary! Das ist Gary!«, rief der Junge, dessen Stimme sich vor Freude überschlug.
»Geh nicht zu nah an die Wölfe heran«, warnte Ivory den Fremden, während sich ihre Eingeweide schmerzhaft zusammenzogen. Jetzt musste sie schon auf zwei Menschen aufpassen, auch wenn keiner von beiden durch ihr Aussehen oder den Ghul sonderlich schockiert zu sein schien, so als ob es völlig alltäglich sei, einer Jägerin, einem Wolfsrudel und einem hirnlosen Angreifer gegenüberzustehen. Sie wusste nur wenig über karpatianische Tagespolitik, aber sie wollte auch nicht mehr darüber wissen. Sie jagte lieber Vampire - und einer näherte sich gerade.
Als einer der Wölfe laut aufheulte, sah Ivory aus den Augenwinkeln, dass der Ghul eines der schwächeren Weibchen gepackt hatte und es kraftvoll von sich schleuderte, sodass es fast direkt vor den Füßen des Mannes namens Gary landete. Dieser wich zurück und beobachtete sie misstrauisch.
»Über dir schwebt ein Vampir«, ließ Ivory ihn wissen. »Beweg dich oder stirb.«
Über Garys Kopf, eingehüllt in einen Wirbel aus Nebel und Schneeflocken, konnte Ivory die Silhouette eines Vampirs ausmachen. Macht strahlte von ihm aus, und ihr Puls beschleunigte sich. Dies war keiner der rangniedrigen Vampire - solchen hatte sie schon oft genug gegenübergestanden.
Gary machte indes einen Hechtsprung, landete unweit des Jungen auf dem Bauch und robbte weiter vor. Beim Versuch, seine Füße von den Fesseln zu befreien, fiel auch Travis in den Schnee.
Mit einer schnellen Handbewegung rief
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