Jaegerin der Daemmerung
presse die Erde unserer Heimat und den Speichel meiner Zunge auf das Herz deiner Seele.
Vii, o verim soηe o verid andam - Zum Schluss gebe ich mein Blut für das deine.
Erschöpft schloss Ivory die Augen. Sie getraute sich nicht, ihm mehr Blut zu geben, als es ihr möglich war. Eine heilende Sitzung und eine Fütterung würden nicht annähernd reichen. Eine Woche, ein Monat ... egal, wie lange es dauern würde, sie würde ihn heilen. Für den Moment hatte sie jedoch alles getan, was in ihrer Macht stand.
Finde Frieden, Drachensucher.
Eine Hand gegen seinen Mund gepresst, bat sie ihn aufzuhören und legte ihn auf die gehaltvolle Erde ihres Bettes. Anschließend rief sie nach ihrem Rudel und trug ihm auf, sich um sie und ihren Gefährten - auch wenn sie den Bund nicht besiegelt hatten - zu postieren. Erst dann kuschelte sie sich eng an ihn und gestattete der dunklen warmen Erde, sie einzuhüllen.
3
S eit mehr als drei Wochen lief die Suche nach Razvan auf Hochtouren. Ivory, die unter einem schneebedeckten Abhang kauerte, kam vorsichtig aus der Deckung hervor, um den Wald unter sich zu überprüfen. Sehen konnte sie kaum etwas, doch der Wind, der sich soeben gedreht hatte, wehte den Geruch von Blut und Tod zu ihr herüber. Aber das war noch nicht alles, was er mit sich brachte. Irgendwo weinte leise ein Kind.
Wie immer hatte sie darauf geachtet, nicht in der unmittelbaren Nähe ihres Verstecks auf die Jagd zu gehen, aber dadurch war sie dem karpatianischen Hoheitsgebiet recht nahe gekommen, wo Mikhail Dubrinsky, der Prinz der Karpatianer, und sein legendärer Stellvertreter Gregori Daratrazanoff ihre Häuser errichtet hatten. Wenn der Eindruck sie nicht trog, gab es hier mehr Karpatianer als bei ihrem letzten Besuch. Das wiederum bedeutete, dass sie sich, wenn sie für sich und ihr Rudel Nahrung suchte, nicht nur vor Vampiren, Xavier und seinen Schergen, sondern auch vor den karpatianischen Jägern in Acht nehmen musste.
Ivory wusste längst, dass die Vampire und Xavier nach Razvan suchten, dass die Suchtrupps sogar die Waldhütte aufgesucht hatten, in der sie sich an dem Menschen genährt hatte, der glücklicherweise schon lange weg gewesen war. Der unsägliche Gestank der Vampire hatte in jeder noch so kleinen Ritze der Blockhütte gesessen, doch sie hatten ihrer Spur nicht folgen können. Lediglich die Stelle, an der Razvan gelegen hatte, konnten sie aufspüren, und dem Gestank nach zu urteilen hatten sie sich einige Tage dort aufgehalten, bis sie endlich weitergezogen waren.
Um sich nicht in unnötige Gefahr zu bringen, hatte Ivory mehr denn je dafür gesorgt, dass weder sie noch ihr Rudel Spuren in der unmittelbaren Umgebung ihres Verstecks hinterließen. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten hatte sie sogar dem Dorf einen Besuch abgestattet, um Razvan mit gehaltvollem Blut nähren zu können. Nacht für Nacht heilte sie ihn, sorgte dafür, dass die schmerzenden Bilder und Erinnerungen ihn nicht verfolgten und quälten. Ivory hatte sich geschworen, dass sie ihn, falls er sich nach seiner Genesung entscheiden sollte, in die Sonne zu treten, kein zweites Mal daran hindern würde. Mit jeder Nacht, in der sie ihn in den Armen hielt, für ihn die Heilgesänge anstimmte und ihr Blut mit ihm teilte, wurde es schwerer für sie, ihn ziehen zu lassen. Dennoch würde sie es tun, würde ihm nicht im Wege stehen und ihm kein schlechtes Gewissen einreden. Schließlich war es ihre Entscheidung gewesen, ihn zu retten. Ob er blieb, um mit ihr gemeinsam gegen Xavier zu kämpfen, blieb einzig und allein seine.
Ein Schrei des Kindes riss sie aus den Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Wald unter sich. Wieso kam niemand dem Kind zu Hilfe? Welche Rabeneltern setzten ihr Kind den Gefahren des nächtlichen Waldes aus, und das auch noch im Winter? Selbst die Dorfbewohner bekreuzigten sich bei jeder Gelegenheit, hingen Knoblauchstränge und Kreuze in die Fenster und über Türen, weil sie fest davon überzeugt waren, dass die Untoten vor allem in der Nacht kämen.
Ivory kauerte sich auf ihre Fersen. Sie selbst bediente sich nie bei Kindern und hatte auch noch nie in ihrem Leben einen Säugling auf dem Arm gehalten. Selbst als sie noch jung war - davor -, hatte sie nie etwas mit Kindern zu tun gehabt. Wenn ein Kind ihre wahre Gestalt sah, vor allem karpatianische Kinder, die an narbenlose Körper gewöhnt waren, würde es eh schreiend davonlaufen.
Gedankenverloren berührte sie ihren Hals. Die Gestalt, in die sie
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