Jaegerin der Daemmerung
der Vampir einen Blitz herab und schleuderte ihn auf die Wölfe. Dass dabei das von ihm erschaffene Monster ebenfalls vernichtet werden konnte, war ihm sichtlich einerlei. Ivory konterte sofort mit einem zweiten Blitz, der die glühende und knisternde Energie des ersten Blitzes von den Kämpfenden ablenkte. Direkt hinter den Wölfen explodierte ein Baum, und Holzsplitter regneten auf den Ghul und das Rudel herab. Um keinen Schaden zu nehmen, stoben die Wölfe auseinander und bildeten einen Kreis um den Ghul. Dem Vampir schenkten sie dabei keinerlei Beachtung, den überließen sie Ivory.
Gary stellte sich so hin, dass er schützend vor dem kleinen Jungen stand, und half ihm dabei, die Fesseln zu lösen, während Ivory dem Vampir einen Pfeil direkt unter seinem Herzen in die Brust schoss. Dieser wandte ihr seinen Kopf zu und nahm sie zum ersten Mal zur Kenntnis.
Ivory schnappte ungläubig laut nach Luft. Ein kleiner Laut entwich ihr. Wie betäubt, brachte sie keinen Ton hervor.
Scharf sah Gary zunächst zu Ivory hin, ehe er den zu Boden schwebenden Vampir in Augenschein nahm, der vor langer Zeit unglaublich attraktiv gewesen sein musste, jetzt aber nur noch eine Karikatur seiner selbst war. Er war gut gebaut, hatte breite Schultern und langes Haar, das einst gewiss dicht und voll gewesen war. Allem Anschein nach lag der teuflischen Kreatur nichts an seiner äußeren Erscheinung. Seine Haut spannte sich über seinem Schädel, und die spitzen Zähne standen nach vorne. Er sah nicht sonderlich mächtig aus, doch die Energie, die ihn umgab, brachte die Luft zum Knistern. Ungläubig erfasste sein glühender Blick die Jägerin. Es war schwer zu sagen, wer von beiden den größeren Schock erlitt.
»Sergij«, raunte Ivory.
Beim Klang ihrer reinen Stimme zuckte der Vampir sichtlich zusammen. Einen Moment lang stand er schweigend da, ehe sich sein krummes, spitzes und verfärbtes Gebiss in ordentliche und strahlend weiße Zahnreihen verwandelte, sein Gesicht voller wurde und seine Augen nicht mehr glühten, sondern eine normale Farbe annahmen. Mit einer achtlosen Geste ließ er den Ghul erstarren. Doch auch die Wölfe verharrten regungslos und starrten zu der Frau und dem Vampir hinüber.
»Ivory?« Seine Stimme war rau und brüchig, ehe er sich räusperte. »Ivory?«, wiederholte er mit klarer, freundlicher, fast schon liebevoller Stimme, während sich seine Hände um das Pfeilende in seiner Brust schlossen, von dem das schwarze Blut herabtropfte und sein Hemd besudelte. »Du lebst.«
Ivorys Hände zitterten. Sie holte tief Luft, hielt den Atem an und ließ nach und nach die Luft entweichen, während ihr Blick zu dem Pfeil in seiner Brust glitt.
»Ja«, flüsterte sie. »Ich lebe, und meine Seele ist unversehrt. Wie kommt es, mein geliebter Bruder, dass du dich auf die Seite derer geschlagen hast, die versucht haben, deine Schwester zu vernichten? Erkläre es mir, wenn du kannst.« Bei jedem Wort, das ihr über die Lippen kam, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen, und sie hatte das Gefühl, jeden Augenblick an der tiefen Trauer und dem scheußlichen Gefühl, betrogen worden zu sein, ersticken zu müssen.
Heiße Tränen schossen ihr in die Augen, die aufsteigenden Gefühle schnürten ihr die Kehle zu. Sie hatte Angst, jeden Augenblick in heftiges Schluchzen auszubrechen. Obwohl es schwierig war, Sergij als Feind zu betrachten, wenn er so freundlich und vertraut erschien, ließ sie ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie sehnte sich danach, sich ihm in die tröstenden Arme zu werfen, den Kopf an seine Schulter zu lehnen und bitterlich um ihre verlorene Vergangenheit zu weinen.
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, suchte sie den Kontakt zu Gary. Nimm den Jungen, und schleicht euch davon, weit weg von hier. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Lage bin, einen Gegner von diesem Kaliber zu besiegen.
Sergij. Ihr Bruder. Schon damals ein exzellenter Kämpfer, einer der besten. Nicht auszudenken, wie geübt er mittlerweile sein musste nach unzähligen Kämpfen mit den besten karpatianischen Jägern, nicht zu vergessen all die Vampire, die er früher bezwungen hatte. So gut es ging, ignorierte Ivory die Verschlagenheit, die sich in der Tiefe seiner Augen zeigte. Gerne hätte sie das Bild vergessen, das er ihr zuerst geboten hatte. Nachdem sie festgestellt hatte, dass all die üblen Gerüchte um ihre Brüder der Wahrheit entsprachen, hatte sie es stets vermieden, ihnen zu begegnen.
Als Gary Travis am Oberarm packte und ihn
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