Jaegerin der Daemmerung
den Bau gekrochen und habe sie von meinem Blut trinken lassen. In dem Moment war mir alles egal. Ich hätte es nicht ertragen, alle zu verlieren. Zudem hatte ich ihren Ahnen versprochen, dass ich mich um ihre Nachkommen kümmern würde. Aber weil sie mir geholfen hatten, waren die Vampire darauf aus gewesen, das gesamte Rudel zu zerstören.«
»Es war nicht dein Fehler.«
»Vielleicht nicht, aber es fühlte sich an, als wäre ich dafür verantwortlich. Also blieb ich im Bau, um mich um sie zu kümmern. Tagsüber vergrub ich mich in der Erde, nachts wachte ich neben ihnen. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie mit meinem Blut zu füttern oder ihres zu trinken, wenn ich nicht auf die Jagd gehen konnte. Raja war der Erste von ihnen, der die Gestalt wandeln konnte. Ich hatte keine Ahnung, dass das überhaupt möglich war, aber ich kannte die Konsequenzen. Kein Wolf konnte zu einem Karpatianer mutieren und dann auf ahnungslose Menschen losgelassen werden. Die Tiere würden unsterblich oder zumindest so wie wir werden. Bei Raja war es ein Unfall, bei den anderen habe ich alles darangesetzt, dass sie es ihm gleichtaten, auch wenn ich damit unmoralisch handelte.«
Als Ivory seinen Blick suchte, wirkte es, als würde sie nur darauf warten, dass er sie verurteilte, weil sie absichtlich gegen die Gesetze der Karpatianer verstoßen hatte. Razvan schüttelte den Kopf. »Es sieht so aus, als hätten wir alle einmal einen Weg eingeschlagen, der nicht der richtige war. Du. Ich. Der Heiler. Und jetzt verschmelzen unsere Wege zu einem.«
Ivory schüttelte den Kopf. »Du bist anders als die anderen.«
»Bin ich das? Vielleicht war ich so lange fort, dass ich gar nicht weiß, wie ein Mann sein sollte.« Er bedachte sie mit einem schiefen Grinsen, das ihr den Atem raubte. Zum ersten Mal in ihrem Leben erlebte sie, welch eine verheerende Wirkung ein einfaches Lächeln erzielen konnte.
»Ich wollte dich nicht beleidigen. Deine Andersartigkeit gefällt mir.« Vielleicht war das ein wenig zu dick aufgetragen, doch sie hatte ein fest definiertes Ziel, eines, das sie beide erreichen wollten und das ihre volle Aufmerksamkeit erforderte. Weder wollte sie es aus den Augen verlieren, noch konnte sie von dem einmal beschrittenen Weg abweichen.
Sein Lächeln stieg in seine Augen und verwandelte deren Farbe in warmes Bernsteinbraun. Wenn sie es zuließe, könnte sie sich in diesen Augen verlieren. Ivory straffte die Schultern. »Irgendwann passte ich das Rudel meinen Bedürfnissen an. Sie waren alles, was mir geblieben war. Ich trug die Verantwortung für sie. Sie sind stets bei mir, gehen mit mir auf die Jagd und leben ausschließlich von meinem Blut. Sie vermehren sich zwar nicht, aber Raja hat schon angedeutet, falls ich ein Baby bekäme, würden auch sie Nachwuchs bekommen, ein eigenes Rudel für mein Kind.« Als Ivory merkte, dass sie abermals errötete, wandte sie den Blick ab. »Da ich nicht denke, dass das jemals passieren wird, beschäftige ich mich kaum mit dieser Vorstellung.«
»Die sechs leben also ...«
»... bereits seit Jahrhunderten an meiner Seite. Wir leben, jagen und kämpfen zusammen.«
Razvan nickte. »Und jetzt komme ich daher und störe den Frieden der Tiere.«
»Es ist immer schwierig, ein neues Mitglied zu integrieren, aber nicht unmöglich. Raja muss dich akzeptieren.« Wieder sah sie ihm ruhig in die Augen. »Du bist mein wahrer Gefährte, ob wir diese Verbindung besiegeln oder nicht.«
Razvan wies Ivory nicht darauf hin, dass nur die karpatianischen Männer dazu in der Lage waren, die bindenden rituellen Worte auszusprechen, die sie schon vor ihrer Geburt kannten. Obwohl er halb Mensch, halb Karpatianer war, wusste er die Worte für den Fall, dass er sich dafür entschied, sie an sich zu binden - mit oder ohne ihrem Einverständnis. Er war überzeugt davon, dass es die Aufgabe des Mannes war, die Verbindung zu besiegeln, weil die eine Hälfte seiner Seele ohne die für ihn bestimmte Gefährtin auf ewig im Dunkeln blieb. Nachdem seine Tanten ihn vollständig verwandelt hatten, wusste er, dass er seine wahre Gefährtin finden musste, um der sich in ihm allmählich ausbreitenden Dunkelheit zu entkommen. Er besaß die Instinkte eines männlichen Karpatianers, die ihn dazu drängten, seinen Anspruch zu erheben. Es war Sache des Mannes, sich um sie zu kümmern, auch wenn die, für die er sorgen musste, ein Leben mit ihm ablehnte.
»Sag mir, was ich machen kann, damit Raja mich akzeptiert.« Wenn es ihm gelang,
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