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Jaegerin der Daemmerung

Jaegerin der Daemmerung

Titel: Jaegerin der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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Seite. Bis sich irgendwann die Vampire auf die Suche nach meinem Rudel machten, um es zu töten. Sie waren der Überzeugung, dass die Wölfe mich irgendwie beschützten. Ob du es glaubst oder nicht, aber die Untoten können sehr abergläubisch sein, vor allem diejenigen, die sich mit Xavier verbündet haben. Er erzählt ihnen gerne abstruse Geschichten, um sie glauben zu machen, er sei stärker als sie selbst.«
    Wortlos beobachtete Razvan, wie ihre Finger liebevoll über das Gesicht ihres Bruders glitten, ein Streicheln nach dem anderen; die sanfte, liebevolle Berührung hypnotisierte ihn fast. Für ihn war es unvorstellbar, dass jemand ihm so tiefe Liebe entgegenbringen könnte, ihn vermissen würde und seine Seele retten wollte, wie es bei Ivory und ihren Brüdern der Fall war. Für seine eigene Schwester war er gestorben, und auch Ivory musste sich von ihren Brüdern abwenden, um selbst gesund zu bleiben, um nicht vom Leid überwältigt zu werden.
    Razvan, der noch immer den Wunsch verspürte, Ivory in den Arm zu nehmen und ihr Trost zu spenden, erbat das Einzige, von dem er wusste, dass sie es ihm nicht verweigern würde. Er stellte sich hinter sie und streckte eine Hand nach dem Kamm aus. »Lass mich das machen.«
    Einen Augenblick lang herrschte Stille. Ivory wirkte wie versteinert. Sie atmete nicht und starrte wie gebannt auf das Relief. Razvan konnte spüren, wie sie innerlich zitterte. Wie ein wildes Tier, das gegen seinen Willen gefangen gehalten wurde und das nicht wusste, ob es die Freundlichkeit, die ihm entgegengebracht wurde, annehmen oder ablehnen sollte. Ganz langsam, ohne ihn dabei anzusehen, reichte sie ihm den Kamm über die Schulter.
    Nachdem Razvan ihn vorsichtig entgegengenommen hatte, fuhr er ihr damit langsam durch ihr Haar. »Wie ist dann das Rudel zu dir gekommen, das dich jetzt begleitet?«
    Wieder entstand eine Pause, dieses Mal, weil Ivory sich erst daran gewöhnen musste, dass Razvan ihr das Haar kämmte. Sie räusperte sich. »Ich konnte nach wie vor nur wenig Zeit an der Oberfläche verbringen, und wenn ich doch einmal rausging, dann lief ich mit den Wölfen oder jagte. Es passierte, kurz nachdem das Rudel Nachwuchs bekommen hatte. Sechs kleine Wölfe. Drei Männchen, drei Weibchen. Ich war viel aufgeregter als die erwachsenen Tiere. Wenn es dem Rudel gut ging, ging es auch mir gut.« Während sie sprach, fuhr sie mit den Fingern die Textzeile unterhalb der Felsenportraits nach. Sív pide köd. Pitäam mustaakad sielpesäambam - Die Liebe überwindet das Böse. Ich werde dich stets in meiner Seele mit mir tragen.
    Erst jetzt begriff Razvan die gesamte Tragweite dieser einfachen Aussage. Abgesehen von ihren Feinden hatte Ivory keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Das Rudel war sozusagen zu ihrer Familie und ihren Freunden geworden. Außer ihnen hatte sie keine Vertrauten, keine Ankerpunkte auf dieser Welt. Sie hatte die leere Hülle ihres Bruders gesehen, brauchte die beruhigende Wirkung der Wand und der Zeilen, an die sie glaubte. In dem Moment spürte er das erste Mal so etwas wie aufkeimende Liebe für sie, erkannte, dass er einen Weg beschritten hatte, den er nie wieder verlassen würde - oder wollte.
    »Im Laufe der Jahre merkte ich, dass ich mit einigen von ihnen gedanklich kommunizieren konnte. Als die Kleinen geboren wurden, stellte sich heraus, dass sowohl das Alphamännchen als auch das Alphaweibchen mit mir reden konnten. Das machte meine Einsamkeit ein wenig erträglicher. Es war, als hätte ich wieder eine Familie.«
    Ivory ließ die Hand sinken, als müsste sie sich für die nächsten Worte wappnen. »Eines Abends erwachte ich und ging auf die Suche nach meinem Rudel. Die Vampire hatten sie vor mir gefunden. Dieselbe Wiese, auf der sie mich den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatten, war jetzt mit Blutlachen, Fellfetzen, Knochen und Kadavern meiner Wölfe übersät.«
    Sie rückte von Razvan ab und stellte sich auf die andere Seite des Raums. Er sah, dass ihre Hände zitterten, ehe sie sie hinter dem Rücken verschränkte und sich zu ihm herumdrehte. Ein trotziger und zugleich schuldiger Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. »Die Wolfsjungen fand ich in ihrem Bau. Sie rangen mit dem Tod. Die Vampire hatten ihnen erhebliche Wunden zugefügt, sie aber nicht sofort umgebracht. Sie wollten, dass sie einen grausamen Tod starben oder von anderen Tieren gefunden und bei lebendigem Leib gefressen würden.« Trotzig hob Ivory das Kinn in die Höhe. »Ich habe sie gerettet. Ich bin in

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