Jaegerin der Daemmerung
das Vertrauen des Alphatieres zu gewinnen, würden die anderen nachziehen.
»Ich habe sie zusehen lassen, wie ich mein Blut mit dir teile, habe ihnen immer wieder eingeschärft, dass du mein Seelenpartner bist. Am besten, wir füttern sie heute gemeinsam. Biete dein Blut zuerst Raja an. Wenn er es ablehnt, wird das Rudel heute eben nicht gefüttert.«
»Vielleicht wäre es besser, wenn ich mit ihm rede, als dass er bestraft wird.« Razvan brachte es nicht übers Herz, andere hungern zu sehen. Nicht, nachdem er selbst jahrelang nur wenig Nahrung bekommen hatte.
Ohne Razvan zu antworten, stellte Ivory sich barfuß in die Mitte des Rudels, kraulte den Tieren zärtlich die Ohren und streichelte liebevoll über ihr Fell. »Rudelführer respektieren Stärke.«
»Kämpfen oder bestrafen hat nicht immer etwas mit Stärke zu tun«, hielt Razvan dagegen. »Xavier ist das grausamste Wesen, das mir je begegnet ist. Krieger von jeder Spezies kamen und gingen. Er hat sie alle besiegt, jeden einzelnen. Das heißt noch lange nicht, dass ich ihn jemals respektieren werde oder so sein möchte wie er.«
Ivory, der nicht entgangen war, dass er mit Nachdruck gesprochen hatte, stieß einen Seufzer aus. Er hatte die lange Gefangenschaft mitnichten überlebt, weil er furchtsam war. Nein, er war dickköpfig, unbeirrbar und unnachgiebig. Der Einblick in das Innere des Drachensuchers hatte ihr vor Augen geführt, über welch eine Standhaftigkeit er verfügte.
»Raja weiß, dass ich dich respektiere.« Sie warf dem Rudelführer einen funkelnden Blick zu. »Ich bin überzeugt davon, dass er dich akzeptieren wird.« Falls nicht, würde sie mit ihm ein ernstes Wörtchen reden.
Raja schnaubte, ehe sich seine Lefzen zu einem Wolfsgrinsen verzogen, so als ob er lachen wollte, und er die Zunge aus dem Mund hängen ließ. Razvan lächelte. Ohne zu zögern führte er ein Handgelenk zum Mund, ritzte sich die Haut auf und bot dem großen Männchen die blutende Wunde an.
Ivory versteifte sich unwillkürlich. Raja neigte den Kopf und schnüffelte an der Wunde, ehe er zaghaft an dem Blut leckte. Fast sofort bohrten sich seine Zähne tief in das Handgelenk.
Leise murmelte Ivory in der alten Sprache die bindenden Worte.
Nó me elidaban, nó me kalmaban - So wie wir im Leben zusammenstehen, so vereint uns auch der Tod.
Elid elided - Leben zu Leben.
Siel sieled - Seele zu Seele.
Me juttaak, me kureak - Wir sind aneinandergebunden.
Ein Gefühl des Triumphes breitete sich in Razvan aus. Er gehörte jetzt dazu. Er war Teil von etwas. Und allem Anschein nach hatte der Leitwolf weniger Probleme damit, ihn als einen Teil des Rudels anzuerkennen, als Ivory. Der Wolf, der mit ihm zusammen gekämpft hatte, akzeptierte ihn, ohne zu zögern, als ihren Gefährten. Ivory hingegen mochte ihn als Krieger anerkennen, aber nicht als ihren Seelenpartner.
Razvan versteckte das Lächeln, das sich auf seine Lippen stahl, als Ivory sich stirnrunzelnd abwandte, um die Weibchen zu füttern. Sie drehte ihm den Rücken zu und schloss ihn aus, als sie mit den Wölfen sprach, erlaubte es ihm aber, selbst Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Raja entpuppte sich als intelligenter Stratege und fähiger Anführer. Blaez hatte einen ernsten Charakter, was Razvan sehr sympathisch fand. Und dann war da noch Farkas, das Männchen, das der Vampir so übel zugerichtet hatte. Seine Wunden waren dank der Heilerde so gut wie verheilt, aber er benötigte noch das gehaltvolle karpatianische Blut, um wieder zu Kräften zu gelangen.
Als Farkas gesättigt war und die Wunde mit der Zunge verschlossen hatte, sank Razvan erschöpft neben dem Wolf in die Knie. »Machst du das jeden Abend?«
Ivory schüttelte den Kopf. »Nein, wir steigen nicht jede Nacht nach oben auf. Nach all den Jahren ist es wohl nicht mehr notwendig, aber wenn ich weniger als drei Tage in der Erde liege, scheint mein Körper nicht richtig zu funktionieren, sodass ich lieber auf Nummer sicher gehe. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon eine Weile keine Probleme mehr, aber ich riskiere lieber nichts.«
Razvan zog die Augenbrauen zusammen. »Von welchen Problemen sprichst du?«
Nachdem das letzte und schwächste Weibchen Ivorys Wunde geschlossen hatte, setzte sie sich neben Razvan. »Nichts Gravierendes. Gehen. Laufen.
Koordinationsschwierigkeiten. Dadurch, dass meine Muskeln so lange getrennt waren, benötigen sie viel Training.«
»Wieso hast du dem Heiler nichts davon gesagt?«
Ein leicht überheblicher Ausdruck glitt über
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