Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Lachen halfen mir, die Gier halbwegs in Schach zu halten.
„Bitte, Mira. Beiß mich! Ich brauche es." Die Verzweiflung, die mit einem Mal aus seinen Worten sprach, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Meine Lust schwand merklich, und ich richtete mich auf, um ihn ansehen zu können. „Bitte dräng mich nicht, mein Engel", sagte ich. „Ich brauche dich fit und stark." „Ich schaffe das schon." Er versuchte, mich wieder an sich zu ziehen, aber ich ließ es nicht zu. „Nein! Du solltest wieder nach unten gehen." Ich rutschte ein Stück zur Seite. „Bitte, Mira", sagte er mit bebender Stimme. Sein Ton ließ mich aufhorchen, und ich sah ihm in die Augen. Sie waren etwas glasig, als sei er krank. Stirnrunzelnd drang ich in seine Gedanken ein. Sie waren so wirr und fahrig, dass ich einen Moment brauchte, um mir einen Reim darauf zu machen, aber es gab einen, der sich ständig wiederholte: Er lechzte nach der Befriedigung, die ihm mein Biss verschaffte.
Ich zog mich aus seinem Gedankenwirrwarr zurück und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. „Schluss jetzt!" Ich war wütender auf mich als auf ihn, weil ich es so weit hatte kommen lassen. Michael war süchtig geworden und bettelte um seinen nächsten Kick. Seine Lust auf Sex hatte nichts mit mir zu tun. Es ging ihm nur darum, dass ich von seinem Blut trank.
Er sah mich aus großen Dackelaugen gekränkt an, und ich musste an mich halten, um nicht frustriert zu stöhnen. „Du musst konzentriert sein! Ohne deine Hilfe kann ich Sadira nicht wohlbehalten von hier wegbringen", erklärte ich sanft, aber bestimmt und widerstand dem Verlangen, sein Gesicht in die Hände zu nehmen. Dann erhob ich mich rasch und rückte meinen BH zurecht, während ich mich vom Bett entfernte. Ein furchtbarer dumpfer Schmerz brannte in meiner Brust. Ich hatte mir etwas vorgemacht. Ich hatte gedacht, sein Interesse gelte mir.
Als ich mich wieder umdrehte, stand Michael neben dem Bett und richtete seine Kleider. Er wirkte immer noch verletzt, riss sich aber zusammen. Zumindest für den Moment. Vielleicht war es noch nicht so schlimm mit seiner Sucht. Aber es spielte keine Rolle. Ich war mit ihm fertig. Sobald wir am Versammlungsort des Konvents eintrafen, wollte ich Michael und Gabriel in das nächste Flugzeug nach Hause setzen. Sie waren mir dann keine Hilfe mehr, und wenn ich sie bei mir behielt, brachte ich sie nur unnötig in Gefahr. Das, was noch von Michaels Leben übrig war, wollte ich nicht auch noch zerstören.
„Geh nach unten! Ich komme gleich", befahl ich mit rauer Stimme. Michael nickte und verließ das Zimmer. Ich setzte mich aufs Bett und spürte ihm mental nach. Er tat, was ich ihm gesagt hatte, und ging direkt in den Raum, in dem Sadira und die anderen sich aufhielten. Ich stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ meinen Kopf in die Hände sinken. Ich zerstörte Michael dadurch, dass ich in seinem Leben war. Wie hatte Gabriel das alles nur so unbeschadet überstanden? Auf ihn konnte ich mich immer verlassen.
Er war wie ein Fels in der Brandung. Ich hatte oft genug von seinem Blut getrunken, aber seine Seele hatte keinen Schaden genommen, wie ich ihn anscheinend bei Michael angerichtet hatte. Doch alles Grübeln half nicht. Michaels Verfall war allein meine Schuld. Ich hatte gedacht, ich wäre eine wichtige Person in seinem Leben. Natürlich war ich nicht so dumm, so etwas mit Liebe zu verwechseln, aber von einer gewissen Zuneigung war ich immer ausgegangen. Doch ich war für ihn nur noch ein Mittel zum Zweck, durch das er seinen Kick bekam.
Dass jemand süchtig nach den Bissen eines Nachtwandlers wurde, kam relativ häufig vor, ließ sich jedoch leicht vermeiden, indem man nie mehr als einmal von derselben Person trank, und wenn doch, dann musste man die Erinnerung daran jedes Mal aus dem Gedächtnis des Betreffenden löschen. Doch irgendwann nahmen wir uns alle einmal menschliche Gespielen, mit dem wir uns über einen längeren Zeitraum hinweg allnächtlich vergnügten. Und mit der Zeit laugten wir sie aus. Wir nahmen ihnen nicht nur ihr Blut, sondern auch ihre Willenskraft, ihre Würde und ihr Leben.
Plötzlich klopfte es. Ich sah in den Spiegel auf der Kommode und stellte fest, dass mein Gesicht völlig ausdruckslos war. Es war gut, dass man mir meine Empfindungen in der Regel nicht ansah, denn in diesem Moment war mir wirklich zum Schreien zumute.
„Herein!", rief ich und erhob mich vom Bett. „Entschuldige die Störung", sagte James und kam ins
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