Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Tristan an. Er war noch jung, und nach dem Gefecht mit den Naturi in der vergangenen Nacht konnte er bestimmt eine Stärkung gebrauchen. Ich wollte keinen halb verhungerten Nachtwandler an meiner Seite, wenn ich selbst schon nicht auf der Höhe war, noch dazu unter so vielen Menschen. Sie waren verdammt schwer zu kontrollieren und extrem gefährlich.
„Ich stärke mich auch später", vermeldete Tristan leise, aber bestimmt. „Sehr schön", sagte James und seufzte erleichtert. „Sonst noch etwas?" „Ja, eine Dusche." „Wie bitte?" Ich verdrehte die Augen und schob ihn zur Tür hinaus. „Ich bin ein Vampir, James, kein selbstreinigender Backofen!", sagte ich, dann drehte ich mich zu Sadira um. „Such mir den Ersatz für Tabor! Ich komme gleich wieder." Als ich die Tür schloss und James ansah, errötete er.
„Entschuldige bitte, ich habe nur nicht gedacht. .", stammelte er und rückte seine kleine runde Brille zurecht. „Ja, ja, Untote müssen sich nicht waschen. Wir halten uns mithilfe unserer magischen Kräfte sauber, was?" Ich fasste ihn an den Schultern und drehte ihn um. „Zeig mir, wo ich duschen kann, und dann hol das Essen. Mit ein bisschen Glück seid ihr uns in weniger als einer Stunde los."
James führte mich schweigend die Treppe hoch und öffnete im ersten Stock die dritte Tür auf der linken Seite, hinter der sich ein hübsches, in Minzgrün und Gold gehaltenes Schlafzimmer versteckte. In der Mitte stand ein großes Himmelbett und am Fenster ein wuchtiger Schreibtisch aus Walnussholz. Das Zimmer war sehr aufgeräumt und sauber, alle Bücher standen ordentlich in den Regalen. Ich ging zu der Kommode und sah mir die Fotos an, die darauf standen; alles lächelnde Angehörige und Freunde. „Das Zimmer gehört Melanie Richards. Sie ist zurzeit in den Staaten auf Familienbesuch", erklärte James. „Ich würde dir ja ein Gästezimmer geben, aber wir sind gerade ein bisschen überbelegt."
„Ihr habt wohl Verstärkung angefordert, was?", neckte ich ihn. Er klappte hilflos den Mund auf und zu, und ich hatte Mitleid mit ihm. Irgendwie hatte dieser arme Mensch etwas Liebenswertes an sich. Vielleicht lag das einfach nur daran, dass er in diesem Moment nicht wie ein Bibliothekar aussah wie all die anderen. „Kann ich euch nicht verdenken", flüsterte ich ihm mit einem kleinen verschwörerischen Lächeln zu.
Ich warf abermals einen Blick auf die Fotos und fragte mich, ob eine der abgelichteten Frauen die Bewohnerin dieses Zimmers war. „Sie wird bestimmt traurig sein, wenn sie hört, dass sie den Vampirzirkus verpasst hat." „Das ist stark untertrieben", murmelte James, und ich kicherte leise. „Sag ihr einfach, dass ich ihre Dusche benutzt habe. Vielleicht versöhnt sie das ein wenig", scherzte ich und ging in das angrenzende Badezimmer. Es war klein, und am Handtuchhalter hingen ein paar grüne Frotteetüeher. Die Toilettenartikel fehlten weitgehend, aber zu meiner Erleichterung fand ich Shampoo und Duschgel. Ich roch nach Rauch und fühlte mich, blutig, wie ich war, extrem schmutzig.
„Kann ich sonst noch etwas tun?", fragte James und fuhr mit der Hand über den Rand des weißen Marmorwaschbeckens. „Nein, ich komme zurecht - oder willst du mir vielleicht den Rücken schrubben?" James schüttelte lächelnd den Kopf. Allmählich schien er sich an meine Neckereien zu gewöhnen. „Dann gehe ich jetzt und kümmere mich um die anderen Sachen", sagte er und verließ den Raum.
Ich schloss die Badezimmertür und betrachtete mich im Spiegel. Ich sah grässlich aus. Meine roten Haare starrten vor Blut und Dreck und hingen mir in verfilzten Strähnen ins Gesicht. Mein ganzer Körper war blut- und dreckverkrustet. Nun sah ich wirklich aus wie jene grauenhaften blutsaugenden Ungeheuer, als die Vampire immer dargestellt wurden. Von meinen Ängsten hingegen war bei all dem Blut und Dreck nichts zu sehen. Die Welt ahnte nicht, dass ich im Grunde keine Ahnung von dem hatte, was ich tat. Die meisten meiner Entscheidungen traf ich spontan, ohne lang zu überlegen, und dass ich noch am Leben war, hatte ich einzig und allein meinem verdammten Glück zu verdanken.
Ich wendete mich angewidert vom Spiegel ab, drehte den Warmwasserkran auf und zog mich aus. Dann stellte ich mich unter die Dusche und genoss seufzend, wie das dampfend heiße Wasser meinen kalten Körper erwärmte und meine Haut rosig färbte. Es war die schnellste Methode, sich zu wärmen, ohne Blut zu trinken. Das Gefühl war zwar immer nur von
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