Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
tot." „Dachtest du?"
Jabari war so schnell, dass ich gar nicht wusste, wie mir geschah. Gerade hatte er noch gut einen Meter vor mir gestanden, und im nächsten Moment segelte ich auch schon durch die Luft und krachte mit dem Rücken gegen die aufgetürmten Steinblöcke. Als ich mit dem Hinterkopf aufschlug, sah ich Sterne und rutschte benommen zu Boden, wobei ich mich an der Schulter verletzte. Jabari stieg von dem Obelisken herunter und kam auf mich zu. Er wirkte immer noch ganz ruhig und gelassen, doch er war so zornig, dass die Luft rings um ihn knisterte. „Du hattest den Befehl, ihn zu töten."
„Er hatte gebrochene Beine, und die Eingeweide quollen ihm aus dem Leib. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das überleben würde." Als ich mich hastig aufrappelte, rutschte ich mit der Hand von den Steinen ab, und ein stechender Schmerz fuhr von meiner Schulter durch meinen ganzen Körper. „Die Naturi haben dich zwei Wochen lang gefangen gehalten", sagte Jabari. „Wir haben nie herausgefunden, was sie alles mit dir angestellt haben. Du warst eine Bedrohung für alle Nachtwandler und durftest nur weiterleben, weil wir Nerian für tot hielten. Du hättest dich von seinem Tod überzeugen müssen."„Es dämmerte schon!", rief ich und geriet in Panik. Erst Jahre nach Machu Picchu hatte ich herausgefunden, dass Jabari mich, als der Rest des Konvents meine Vernichtung gefordert hatte, in Schutz genommen hatte.
Er hatte mir nicht nur vor den Naturi gerettet, sondern auch vor meinesgleichen. „Das ist keine Entschuldigung." Jabari packte mich am Hals, und ich hatte nicht einmal genug Zeit, um nach seiner Hand zu greifen, bevor er mich wie eine Stoffpuppe gegen einen Steinblock schleuderte. „Du hast mich enttäuscht." Ein furchtbarer Schmerz durchzuckte mich, als ich abermals zu Boden ging. „Jetzt ist er tot", sagte ich leise.
Ich bezweifelte, dass ich noch genug Kraft hatte, um aufzustehen, bevor er mich erneut angriff. „Ein paar hundert Jahre zu spät." Jabaris sonst so freundliche Züge verhärteten sich, und seine braunen Augen wurden so schwarz wie nächtliche Gewitterwolken. Mit den Tränen ringend schloss ich die Augen. Ich hatte ihn enttäuscht. Jabari hatte sich immer auf mich verlassen können, in jeder Hinsicht. Er hatte mir so viel gegeben, und dieses eine Mal hatte ich ihn enttäuscht. Und nun würde er mich vernichten wie jeden anderen Nachtwandler, der seinen Erwartungen nicht gerecht wurde. Ein Teil von mir wünschte sich sogar den Tod, um dem Schmerz entfliehen zu können, doch als mich unvermittelt Danaus' Macht streifte, wurde ich an den Grund unserer Ägyptenreise erinnert: die Naturi. Wenn Jabari mich vernichtete, konnte niemand mehr mein Zuhause und meine Leute beschützen. Es war schlimm genug, dass ich Jabari enttäuscht hatte, aber ich wollte nicht auch noch all diejenigen enttäuschen, die auf meinen Schutz angewiesen waren.
Als ich Schritte hörte, öffnete ich die Augen. Danaus war zwischen mich und Jabari getreten. Die zwanzig Zentimeter lange Klinge seines Messers glitzerte im Sternenlicht. Unter dem Protest meines geschundenen Körpers erhob ich mich mühsam. Danaus' Verhalten war nicht gerade klug. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Jabari würde ihn töten, bevor er Luft holen konnte, aber ich brauchte ihn lebendig.
„So werdet ihr das Naturi-Problem nicht lösen", sagte Danaus mit fester Stimme. „Du, der ich mehr vertraut habe als allen anderen, hast mich enttäuscht", fuhr Jabari mich an und verlor nun doch die Beherrschung, „und jetzt schleppst du auch noch diesen ... diesen Menschen in mein Revier!" Ich stellte mich vor Danaus, um Jabaris Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. „Er war derjenige, der Nerian gefangen hat! Er hat mir Fotos von den Symbolen und dem Opfer gezeigt!"
„Du hast mich verraten!" Jabari packte Danaus blitzschnell am Hals und schleuderte ihn quer durch den Steinbruch. Als er gegen eine Steinplatte krachte, die mit einem lauten Knacken zerbrach, zuckte ich zusammen und befürchtete schon, dass er sich das Rückgrat oder mindestens eine Schulter gebrochen hatte. In Erwartung des nächsten Angriffs wollte ich mich gerade wieder zu Jabari umdrehen, als ich sah, wie Danaus sich erhob. Er schien die Schmerzen einfach abzuschütteln, indem er kurz die Schultern lockerte.
Mir gefror das Blut in den Adern. Nach so einem heftigen Aufprall hätte Danaus eigentlich nicht in der Lage sein dürfen, sich zu rühren, geschweige denn aufzustehen
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