Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Gefühl hatte, jeden Augenblick zu platzen. „Leg es nicht darauf an", sagte ich drohend. „Ich werde uns beide vernichten, Naturi hin oder her!"
Augenblicklich - und ohne dass ich den Gedanken überhaupt gefasst hatte - tauchten zu meinen Füßen tiefblaue Flammen auf, die Danaus und mich umkreisten und immer höher aufloderten, bis sie mir bis an die Brust reichten. Ich hatte noch nie ein Feuer gegen Jabari heraufbeschworen, aber ich wollte mich unter keinen Umständen von ihm versklaven lassen. Er starrte mich durch die flackernden blauen Flammen an und wich nicht von der Stelle. Das würde er mir niemals verzeihen, so viel war klar. Sein Gesicht war bleich und angespannt vor Wut. „Lass uns zuerst unsere Rasse retten", schlug ich ihm vor. „Dann haben wir immer noch bis in alle Ewigkeit Zeit, uns gegenseitig zu vernichten."
Die Spannung, die in der Luft lag, machte mich allmählich hysterisch, und die Macht, die sich um mich ballte, lähmte mein Gehirn. Ich konnte nicht mehr klar denken, und wenn ich noch lange so dicht zwischen den beiden Männern stand, verlor ich noch vollends den Verstand. Ein kaltes Lächeln huschte über Jabaris Gesicht, und er bleckte seine schneeweißen Zähne. „Es ist noch nicht vorbei." „Ganz gewiss nicht", entgegnete ich schroff. Jabari nickte und kehrte uns den Rücken zu. Als er an dem unvollendeten Obelisken entlangging, strich er beinahe ehrfurchtsvoll über die glatte Oberfläche. Die Flammen wurden immer kleiner und verschwanden schließlich. Als Danaus mich losließ, fiel ich auf die Knie. Ein Kälteschauer jagte mir über die Arme, und ich fühlte mich, als wäre ich von durchgegangenen Pferden durch die Straßen geschleift worden.
Ich zwang mich aufzustehen. Meine Beine drohten zwar einzuknicken, aber ich wendete mich Jabari zu, ohne ins Wanken zu geraten. Er schaute mit starrem Blick auf den Obelisken, dieses Überbleibsel aus seiner Vergangenheit, und seine Miene war wieder ganz ausdruckslos und unergründlich.
„Ich werde über alles nachdenken, was du mir gesagt hast. Wir reden morgen weiter." Er richtete den Blick in die Ferne und fuhr sich mit der Hand über seine kurzen Haare. Für heute war ich also entlassen. „Darf ich mein Lager auf deinem Land aufschlagen?", fragte ich und bekam es erneut mit der Angst zu tun, als er nicht gleich antwortete. Ich war fremd in seinem Revier und brauchte seine Erlaubnis, um bleiben zu können. Jeder Vampir musste bei dem jeweiligen Hüter eines Reviers vorstellig werden. Wenn Jabari mir die Erlaubnis verweigerte, musste ich sein Land vor Sonnenaufgang verlassen. Aber das war nicht so einfach, denn Jabaris Revier umfasste den Großteil Nordafrikas und einige Mittelmeerinseln.
„Du darfst hier lagern", sagte er bedächtig, als sei er nicht ganz überzeugt von seiner Entscheidung. „Vielen Dank." Ich sah Danaus an und bedeutete ihm, schon einmal vorauszugehen. Er zögerte einen Moment und schaute von mir zu Jabari. Dann ging er jedoch wortlos an mir vorbei zu den Kamelen am Eingang des Steinbruchs.
Ich studierte Jabari, der kerzengerade dastand, und fragte mich, ob er ebenso verletzt war wie ich. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass mir das Wiedersehen mit ihm derart das Herz brechen würde. Er war davon überzeugt, dass ich Verrat an ihm begangen hatte, und von dem, was uns einst verbunden hatte, war nichts mehr übrig. Er würde mir nie verzeihen.
„Ich liebe dich, Jabari. Ich habe dich mehr als alles andere auf der Welt geliebt und dir vertraut", sagte ich leise. „Und auch nach dem, was heute geschehen ist, und obwohl ich weiß, dass du mich eines Tages töten wirst, liebe ich dich. Ich werde dich immer lieben." Ich wusste nicht, ob er mir überhaupt zuhörte, aber ich musste es einfach loswerden. Ich musste mir das Herz erleichtern.
Dann machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ den Steinbruch. Ich hätte mir gewünscht, dass Jabari nach mir rief. Dass er mir sagte, dass auch er mich geliebt hatte oder dass er mir verzieh, doch er sagte kein Wort und rührte sich nicht. Als ich mich ein gutes Stück von ihm entfernt hatte, entzündete ich eine kleine Flamme in meiner Hand, um der plötzlich überwältigenden Finsternis zu trotzen. Und während ich in die kleine Lichtquelle starrte, wurde mir bewusst, warum ich diese Fähigkeit über den Tod hinaus behalten hatte. Wenn es so etwas wie Schicksal gab, dann war ich auf dieser Erde, um zu zerstören, und nicht, um etwas zu erschaffen.
Der Mond stand
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