Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
theoretisch ins Dorf folgen, aber nun war ich in Jabaris Nähe. Zumindest hoffte ich, dass der Alte im Dorf war, denn spüren konnte ich meinen früheren Mentor immer noch nicht.
Das zweistöckige, strahlend blaue Haus stand am Ende einer schmalen Gasse zwischen zwei höheren Gebäuden, die wie gelbe Tulpen aufragten. Alle Häuser in dem nubischen Dorf hatten leuchtende Farben - mit ihren sonnengelben, blauen und rosafarbenen Anstrichen wirkten sie wie Steinblumen in einem riesigen für die Götter angelegten Garten. Als ich näher kam, öffnete sich die reich verzierte Tür und Omari erschien auf der Schwelle. Er konnte mich nicht sehen, aber ich nahm an, dass Jabari ihn von meiner Ankunft in Kenntnis gesetzt hatte. Ein paar Meter vor der Tür deaktivierte ich meinen Schutzzauber. Omari sah mich überrascht an, doch dann trat er zur Seite und bat mich ins Haus.
Der große Hauptraum war in warmes Kerzenlicht getaucht, und in der Luft lag ein Hauch von Weihrauch. Jabari schaute auf, als ich hereinkam, und sah mich durchdringend an. Michael und Gabriel, die zu meiner Rechten auf dicken Bodenkissen saßen, sprangen auf. „Naturi!", stieß ich hervor. „Hier?", fragte Jabari und erhob sich rasch. Seine weißen Gewänder wallten um ihn herum, seine Miene verfinsterte sich. „Nein, sie haben mich auf dem Fatimid-Friedhof angegriffen. Sie waren zu siebt. Und hier ist niemand aufgetaucht?" Ich hielt den Angriff auf mich lediglich für einen kurzen Zwischenstopp auf dem Weg zu Jabari. Der Alte musste das eigentliche Ziel der Naturi sein. Er war das stärkste der noch lebenden Mitglieder der Triade.
„Außer dir und deinen Beschützern keiner." Der Alte schüttelte verwundert den Kopf. „Wie?", fragte er auf Altägyptisch. Das Wort gehörte zu den wenigen, die mir in Erinnerung geblieben waren, obwohl Jabari sich sehr bemüht hatte, mir die Sprache beizubringen, und mir war klar, was er damit meinte: Wie hatte ich das nur überlebt? Selbst ein alter und mächtiger Vampir wie Jabari hätte alle Mühe gehabt, einen Naturi-Angriff heil zu überstehen.
„Es war knapp", entgegnete ich mit einem matten Lächeln. Zwei gegen eine war schon schwer genug gewesen, aber gegen sieben Naturi hätte ich keine Chance gehabt. „Danaus hat mir das Leben gerettet. Ich weiß nicht warum, und im Moment ist es mir auch egal. Wir müssen die Stadt verlassen. Einer der Naturi heißt Rowe - er hat offenbar Kontakt zu Aurora. Er hat versucht, mich in seine Gewalt zu bringen; wahrscheinlich zur Vorbereitung eines Angriffs auf dich." „Ich habe diesen Namen noch nie gehört", erwiderte Jabari kopfschüttelnd und starrte nachdenklich auf den Boden. „Ich habe ihn zum ersten Mal aus Nerians Mund gehört. Rowe hat Narben im Gesicht und trägt eine Augenklappe. Er tat so, als kenne er mich, aber ich erinnere mich nicht an ihn." „Du hast ihn nicht in Machu Picchu gesehen?" „Nein. An einen einäugigen Naturi, der sich wie ein Pirat kleidet, würde ich mich garantiert erinnern", sagte ich mit einem flüchtigen Grinsen. „Vielleicht bist du der Grund, warum er nur noch ein Auge hat", entgegnete Jabari und sah mich prüfend an. „Nein, daran würde ich mich erst recht erinnern!"
„Und er wollte dich gefangen nehmen?" Ich fuhr mit zitternden Fingern durch mein Haar. Die Angst zehrte an meinen Kräften, und ich brachte kein Wort heraus. „Du hast recht", sagte Jabari. „Die Naturi wollten dich vermutlich aus dem Verkehr ziehen, um die Mitglieder der Triade vernichten zu können. Tabor haben sie bereits erledigt, und hinter Sadira werden sie auch her sein. Du musst sofort zu ihr. Du musst sie beschützen." Ich runzelte die Stirn und schüttelte unwillkürlich den Kopf. Ich wollte Jabari eigentlich nicht allein lassen, auch wenn er immer noch einen Groll gegen mich hegte. „Und was ist mit dir?"
„Ich werde den Konvent aufsuchen. Sie müssen wissen, was los ist. Mir wird schon nichts passieren." „Aber .. " Ich verstummte, als sich der Raum plötzlich zu drehen begann. Meine letzten Kräfte, die ich zusammengekratzt hatte, um nach Koti zu kommen, waren verbraucht, und mir wurde schwarz vor Augen. Ich streckte suchend die Hand aus, um mich an irgendetwas festzuhalten, und bekam eine warme Schulter zu fassen. Als ich blinzelnd aufsah, schaute ich in Michaels besorgtes Gesicht. Jabaris tiefe, beruhigende Stimme drang an mein Ohr und umhüllte mein Bewusstsein. „Das Naturi-Gift ist noch in deinem Körper. Du musst dich stärken, um dich davon
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