Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
wieder auf die kleine Mauer zu setzen.
„Du legst es wohl darauf an?" Ich zwang mich, ruhig und gelassen zu bleiben, um kein Aufsehen zu erregen. „Waffenstillstand", sagte er, um mich überflüssigerweise daran zu erinnern, dass wir uns im Park aufhielten. Ich sah lächelnd auf ihn hinab und zeigte meine schneeweißen Zähne. „Ein Waffenstillstand schützt dich nicht vor Bestrafung." Ich spürte, wie sich seine Halsmuskeln anspannten, als er erneut Angst bekam.
Seine Hände schlossen sich fest um die Brunneneinfassung.
Im Leben eines Nachtwandlers drehte sich alles um Macht und Kontrolle. Die am oberen Ende der Nahrungskette hatten die ganze Macht und absolute Kontrolle über alle, die unter ihnen standen. Die Schwächeren mussten sich beugen, wenn sie nicht gebrochen werden wollten.
Joseph hatte mich aufgesucht, und er musste sich schon ein bisschen unterwürfig zeigen, wenn er bei mir nicht in Ungnade fallen wollte. Ich gehörte zwar nicht zu denen, die eine Gefolgschaft von Speichelleckern brauchten, aber in meiner Position als Hüterin der Stadt musste man mich schon respektieren und fürchten.
„Du kannst von Glück sagen, dass ich heute keine Lust habe, mit dir zu spielen", sagte ich. „Kommen wir zur Sache. Warum hast du mich um dieses Treffen gebeten?" „Es heißt, du hast gegen den Schlächter gekämpft", sagte Joseph.
Ich ließ seinen Hals los und gab seinem Kinn einen Stups, bevor ich die Hand sinken ließ. Viele Jüngere nannten Danaus den Schlächter, was durchaus verständlich war, weil er einige von uns abgeschlachtet hatte wie Vieh.
„Wir sind uns begegnet." Ich zuckte mit den Schultern und schlenderte ein paar Meter weiter. Zwei Pärchen kamen durch den Park, und ihr Gelächter schallte zu uns herüber, während sie auf eines der kleinen Hotels zugingen, die den Park säumten.
„Aber er ist immer noch in der Stadt." Der arme Junge klang völlig verwirrt. Er hatte offensichtlich damit gerechnet, dass ich Danaus entweder aus meinem Revier vertrieb oder tötete. Das war natürlich mein Plan, aber angesichts einer so großartigen Chance hatte ich nicht vor, mein Pulver schon bei einem einzigen schnellen Kampf zu verschießen. Dummerweise war Danaus aber nicht irgendein Jäger, sondern er war zum Problem geworden. Er war in mein Revier eingedrungen, weil er es explizit auf mich abgesehen hatte. Aber Nachtwandler stehen nun mal nicht im Telefonbuch, und man kann uns nicht so leicht aufspüren, wenn man nicht selbst ein Nachtwandler ist oder zum engsten Kreis der Vertrauten gehört. Bevor ich Danaus tötete, musste ich unbedingt herausfinden, was er war und wie er mich gefunden hatte. Außerdem wollte ich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch in Erfahrung bringen, was er über die Naturi wusste, denn dass er etwas über sie wusste, ging aus der Bemerkung hervor, die er bei unserer Begegnung gemacht hatte. Es gab nur wenige, die ihren Namen überhaupt kannten.
Ich schob meine Überlegungen beiseite und schenkte meine Aufmerksamkeit wieder dem Jungspund.
„Zweifelst du meine Methoden an?", fragte ich ganz freundlich. Aber Joseph war kein Idiot. „Nein! Natürlich nicht!" Er sprang auf und stürzte auf mich zu. „Ich bin jung. Ich lerne noch. Ich will es nur verstehen." Er nahm meine linke Hand und drückte sie an seinen Hals. Eine geschickte, diplomatische und versöhnliche Geste mit einem Anflug von Demut. Er war gut. Es bestand noch Hoffnung für ihn.
Er war ein paar Zentimeter größer als ich. Ich zog ihn an mich und drückte mit leicht geöffneten Lippen einen Kuss auf seine Drosselvene, wobei ich mit den Eckzähnen seine Haut streifte. Dann ließ ich meine Lippen seinen Hals hinaufwandern, über sein Kinn bis zu seinem Mund streichen und küsste ihn schließlich. Ich fuhr mit der Zunge über seine spitzen Eckzähne, sodass er ein paar Tropfen von meinem Blut kosten konnte. Er erschauerte, als ich zurücktrat, doch er hielt mich nicht fest. Joseph hatte bewiesen, dass er mir absolut vertraute, und dafür hatte ich ihn belohnt.
„Du bist zwar noch jung, aber du lernst schnell", sagte ich mit einem anerkennenden Lächeln, ging zurück zu dem Springbrunnen und setzte mich. „Hat der Jäger jemanden getötet, seit ich ihm begegnet bin?" Joseph blinzelte mehrmals, als erwachte er aus einem Traum. „Nein." „Und das wird er auch nicht, wenn ihr ihn nicht provoziert. Es ist eine Sache zwischen ihm und mir." „Ja, Herrin", sagte er und neigte den Kopf.
Ich stand auf und reckte
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