Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
meiner Lieblingslokale zu Hause war eine von einem Vampir geführte Bar namens Alive One. Die Kundschaft bestand fast nur aus Menschen, und manche von uns schauten ab und zu aus Spaß dort vorbei. Im Nachtclub nebenan, der Purgatory hieß, war das Angebot wesentlich besser. Ins Alive One ging man nur, um sich auf einen ausschweifenden Abend einzustimmen.
Bei einem Namen wie Six Feet Under erwartete ich eine klassische Goth-Szene mit schwarzen Klamotten und bleicher Haut, doch was ich vorfand, war waschechter Londoner Punk, so weit das Auge reichte.
Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge zum Eingang, und ich löschte rasch das Kurzzeitgedächtnis des Türstehers. Ich wollte nicht stundenlang Schlange stehen, wenn jederzeit Naturi auftauchen konnten. Als ich mein Portmonee aus der Tasche zog, fiel mir siedend heiß ein, dass ich nur amerikanische Dollar bei mir hatte. An Devisen hatte ich mir von Charlotte lediglich ägyptische Banknoten besorgen lassen, weil ich nicht gewusst hatte, wohin mich meine Reise sonst noch führte.
Bevor ich irgendetwas sagen konnte, reichte Danaus dem gelangweilt dreinblickenden Kassierer mit lila Haarpracht einen zusammengefalteten Zwanzig-Pfund-Schein, der uns ungehinderten Zutritt verschaffte. „Keine Sorge, bei unserem nächsten Date bezahle ich", sagte ich und betrat den Club, bevor er etwas erwidern konnte.
Wir blieben direkt am Eingang stehen und sahen uns um. Der Laden war rappelvoll, und es war ein Wunder, dass die Leute überhaupt noch Luft bekamen. Offenbar waren alle Zwischenwände herausgeschlagen worden, um einen einzigen großen Saal zu schaffen. Auf der rechten Seite befand sich eine lange Theke, vor der die Gäste in mindestens drei Reihen anstanden. Auf der Bühne am anderen Ende des Saals lärmte eine Band, und ein bleicher schmaler Typ brüllte in das Mikrofon.
Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von Punkrock, aber Fan oder nicht, das hier war einfach nur Krach.
Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen und hielt nach unserer Beute Ausschau. Beim Hereinkommen hatte ich die Anwesenheit von zwei Nachtwandlern registriert, aber ich hatte nicht versucht, sie zu identifizieren. Doch ich wusste, dass ich in diesem Gedränge meine Kräfte einsetzen musste, um Thorne und Tristan zu finden. Es waren einfach zu viele Leute im Saal. Ich unterdrückte einen frustrierten Seufzer und setzte meine Kräfte ein. Es dauerte nur eine Sekunde, aber was ich fand, gefiel mir nicht.
„Verdammt!", fluchte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Was?", fragte Danaus. „Hast du ihn gefunden?" „Ja, ich habe ihn gefunden." Tristan war leicht zu orten gewesen. Der braunhaarige Vampir saß an einem runden Tisch links von der Bühne. Er war auch der Einzige in diesem Club, der schick angezogen war, zweifelsohne dank Sadiras Vorliebe für teure Dinge.
Der andere Nachtwandler war ebenso leicht auszumachen; es bestand kein Zweifel, dass es sich bei dem bleichen Sänger am Mikrofon um Thorne handelte. Doch wie sollte ich an ihn herankommen? Ich konnte mich natürlich durch die Menge drängeln, auf die Bühne springen und ihn aus dem erstbesten Fenster werfen, aber ich wollte kein Aufsehen erregen.
„Wir warten", sagte Danaus leise zu mir, nachdem ich ihn auf den Sänger aufmerksam gemacht hatte, und bahnte sich rücksichtslos einen Weg durch die Menge, um auf die andere Seite des Saals zu gelangen.
Ungeachtet der Tatsache, dass der Boden unter meinen Füßen knirschte, folgte ich ihm und beobachtete, wie die Leute, die er zur Seite drängte, empört auffuhren, sich aber sofort verkrümelten, wenn sie ihm ins Gesicht sahen und seine bullige Statur bemerkten. Das war sehr interessant für mich, denn bei mir war rohe Gewalt meinesgleichen vorbehalten. Um Menschen dazu zu bringen, dass sie taten, was ich wollte, musste ich lediglich Sinnlichkeit und einen Hauch von Gefahr und Macht ausstrahlen. Aber Danaus brauchte nur irgendwo in einem Raum zu stehen und die Anwesenden begannen unweigerlich, sich zu winden. Er war zu einem personifizierten Sinnbild des Todes geworden, fast wie der Sensenmann höchstpersönlich.
Ich suchte mir eine dunkle Ecke, lehnte mich gegen die mit Postern gepflasterte Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete unsere Beute. Es konnte eigentlich gar nicht wahr sein. Ich überprüfte ihn immer wieder, bis Thorne schließlich mitten im Song ins Stocken geriet und zur Theke schaute. Er spürte mich, hatte aber meine Position noch nicht
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