Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
Gesicht, kletterte an Bord und sah mich dem jungen Nachtwandler gegenüber. Tristan stand mitten im Flugzeug, die Hände in die schmalen Hüften gestemmt, und nahm die makellos weiße Innenausstattung in Augenschein. Nach einer Weile richtete er mit einer fragend erhobenen Augenbraue den Blick auf mich. „Weiß?", fragte er, während seine Stimme vor Belustigung Purzelbäume schlug. Ich rauschte an ihm vorbei und ignorierte die Bemerkung. Was hätte ich auch sagen sollen? Ich fand, die schwarzen Klamotten waren schon Klischee genug.
„Kontaktiere Sadira", sagte ich kurz angebunden und bemerkte, wie ihm bei der Erwähnung unserer Schöpferin das Lächeln verging. Keiner von uns beiden hatte es besonders eilig, sie wiederzusehen. Ich war ihrer „liebenden Fürsorge" vor beinahe fünf Jahrhunderten entronnen, nur um mich jetzt erneut an der Seite der herrschsüchtigen Vampirin wiederzufinden. Tristan war erst vor Kurzem entkommen, aber durch mich wieder eingefangen worden, weil ich unwissentlich von ihr manipuliert worden war.
„Sag ihr, dass sie ein Taxi für uns parat halten soll, wenn wir ankommen", befahl ich, als ich meine Tasche abstellte. „Wir werden nämlich wirklich erst in letzter Sekunde da sein." Während ich es mir auf den langen Sitzbänken bequem machte, die das Innere des Flugzeugs säumten, versuchte ich den Anschein zu wahren, als wäre es mir vollkommen egal, dass wir nur vier Stunden vor Sonnenaufgang nach Venedig flogen.
„Sonst noch etwas, Herrin?", fragte er mit einer eleganten Verbeugung. Stirnrunzelnd betrachtete ich den Nachtwandler. Kaum ist er von Sadira weg, schon verwandelt er sich in einen sarkastischen Esel, dachte ich. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich hatte mit Danaus, dem Konvent und den Naturi alle Hände voll zu tun, da brauchte ich nicht auch noch einen jungen Nachtwandler, der frisch von seiner Herrin weg war.
Zugleich hatte ich so ein blödes Gefühl in der Magengegend, dass er darauf vertraute, dass ich einen Weg finden würde, ihn Sadiras Klauen zu entreißen. Ich hatte aus Verzweiflung versprochen, ihm zu helfen. In jenem Moment war ich mir sicher gewesen, dass einer von uns den kommenden Kampf nicht überleben würde. Da hatte ich mich getäuscht, und jetzt saß ich in der Patsche.
„Geh nach hinten, und schlaf mal ein bisschen", grummelte ich. Ich sah ihm nach, während er ein paar Schritte in Richtung des Flugzeughecks machte, wo hinter einer Tür ein winziges Schlafzimmer lag. Aber bevor er die Tür erreichte, hielt er inne und schien zu zögern. „Los", sagte ich. „Spuck's aus." „Warum gehen wir da hin?" Tristans Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als er endlich sprach, so als fürchtete er eine Bestrafung dafür, dass er mich infrage stellte. Er drehte sich um, und in seinen Augen lag der gleiche gehetzte Ausdruck wie vor ein paar Nächten, in jener Gasse in London. Ängstlich. Hoffnungslos. „Wir haben einen Jet. Lass uns nach Westen fliegen. So weit weg vom Konvent, wie es nur geht."
„Um in alle Ewigkeit vor dem Konvent wegzurennen? Und vor den Naturi?" Ich stand auf und ging langsam zu ihm hinüber. Er ließ die schmalen Schultern hängen und straffte den Körper in Erwartung eines Schlages. „Es gibt keinen Fluchtweg. Jabari wird uns aufspüren. Die Naturi werden uns aufspüren. Wenn wir jetzt zum Konvent gehen, können sie eine Armee aufstellen, und wir können die Naturi endlich davon abhalten, ihre Königin zu befreien." „Und wie machen wir das mit dem Konvent?"
Ich lächelte ihm zu und strich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange. „Schon andere haben die Begegnung mit dem Konvent überlebt. Dazu braucht man lediglich ein bisschen Fingerspitzengefühl." „Dich braucht der Konvent ja auch lebendig." „Und ich verspreche dir, dich bei mir zu behalten", sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Wenn ich am Leben bleibe, überlebst du auch."
Tristan verzog die Lippen zu einem spöttischen Grinsen, doch der Zweifel in seinen Augen blieb. Aber er nickte kurz, bevor er sich umdrehte und hinten in dem winzigen Schlafzimmer verschwand. Er wusste, dass wir unserer Bestimmung nicht entkommen konnten. Wir mussten vor den Konvent treten. Wenn wir die Naturi bezwingen wollten, waren wir auf ihre Hilfe angewiesen.
Ich unterdrückte einen Seufzer, als ich zu der Bank zurückkehrte, auf der ich vorher gesessen hatte. Es war kein großartiger Plan, aber wenigstens ein Plan. Als ich die Füße ausstreckte und mich zu entspannen
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