Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
irgendwie beruhigt hätte. Aber inzwischen regten sich dringendere Fragen in meinem Hinterkopf.
„Wie konntest du nur James mitbringen?", fragte ich und versuchte, nicht allzu abfällig zu klingen. „Was soll denn das heißen?", fragte Ryan und platzte fast vor gespielter Ahnungslosigkeit. Das nimmermüde Lächeln auf seinen Lippen wurde vor Amüsement über mich noch breiter. „Er ist nicht wie wir. Du bringst sein Leben in Gefahr", fauchte ich leise. Zweifellos konnte der Taxifahrer uns hören; ich konnte nur hoffen, dass sein Englisch nicht allzu gut war. Oder dass er uns wenigstens nur für ein paar verrückte Touristen hielt. „Es gibt keinen Grund für seine Anwesenheit." „Wie außergewöhnlich nett von dir, Mira", sagte Ryan, ohne dass die unschuldige Fassade auch nur einen Augenblick bröckelte. „Das hätte ich nicht erwartet." „Ach, leck mich, Ryan", knurrte ich und zeigte ihm die zusammengebissenen Zähne. „Tu doch nicht so blöd."
Das Lächeln wich nicht aus seinem schmalen, alterslosen Gesicht, verschwand aber aus den goldenen Augen, als sein Blick über meine Gesicht tanzte. Er musterte mich mit Furcht einflößender Intensität, bevor er endlich Atem holte und sprach. „Ich habe ihn aus drei verschiedenen Gründen mitgebracht. Erstens ist er sowohl Danaus' Assistent als auch meiner. Er wird uns in allen Angelegenheiten vertreten, um die wir uns im Moment nicht kümmern können, solange wir uns mit unserem gegenwärtigen Problem befassen." Das war ein Grund. Aber ich fand nicht, dass es ein besonders guter Grund war. Charlotte Goodwin arbeitete als meine menschliche Assistentin genauso gut zu Hause in Savannah, und sie kümmerte sich um die alltäglichen Probleme, wie etwa die Regelung meiner finanziellen Angelegenheiten und meine Reiseplanung, also Dinge, die im Allgemeinen tagsüber erledigt werden mussten. „Zweitens gehört James seit Jahren zu Themis", fuhr Ryan fort, „hat aber sehr wenig Erfahrung. Ich hielt dies für eine gute Gelegenheit." „Du hättest ihm für den Anfang auch etwas zuweisen können, das ein kleines bisschen weniger gefährlich ist", tadelte ich und schüttelte den Kopf. Als wir an einer Kreuzung hielten, beugte ich mich aus der Rückbank nach vorne, sodass ich mit dem Taxifahrer sprechen konnte.
„Wie weit nach Knossos?", fragte ich in gebrochenem kretischen Griechisch. Trotz all der Jahre, in denen ich fort gewesen war, war die Sprachkenntnis entgegen meiner Erwartung nicht völlig aus meinem Gehirn verschwunden. Allerdings war mein Dialekt ziemlich veraltet. Es war unwahrscheinlich, dass mich noch irgendjemand verstehen würde. Vom Zuhören bei anderen hatte ich aber genug aufgeschnappt, um mich durchschlagen zu können. Ich klang unzweifelhaft wie eine Touristin.
„Weniger als ein Kilometer", sagte der Fahrer und warf mir über die Schulter einen Blick zu. Er war ein älterer Herr mit weißen Haaren und faltigem, von Sonne und Wetter gegerbtem Gesicht. „Lassen Sie uns hier raus", sagte ich und wühlte ein paar Euro aus der Vordertasche meiner Lederhosen. Ich hatte meine letzten ägyptischen Pfund im Cipriani in Euro umgetauscht, bevor ich mit Danaus abgeflogen war. Ich hatte nicht viel Bargeld dabei, aber ich schätzte, dass es für die nächsten Nächte reichen würde. Abgesehen davon musste ich erst mal unsere nächste Begegnung mit den Naturi überleben, bevor ich mir über meinen Kontostand Gedanken machte.
Der Fahrer schien protestieren zu wollen, verbiss sich aber seinen Kommentar, als er hörte, dass Ryan bereits ausstieg. Er hatte uns ohnehin so spät nicht mehr gerne zum Palast gefahren, aber mit einem kleinen mentalen Schubs hatte ich es geschafft, ihn davon zu überzeugen, uns doch zu bringen.-
Wir hatten die Stadt Heraklion hinter uns gelassen und das hügelige Hinterland voller Weinberge und Olivengärten erreicht. Als ich rasch die Gegend durchleuchtete, stellte ich erleichtert fest, dass hier nicht allzu viele Menschen unterwegs waren. Ich musste mir also keine großen Sorgen machen, entdeckt zu werden, oder dass jemand in einen Kampf auf Leben und Tod hineinstolperte. Das Problem mit vielen der sogenannten Heiligen Stätten war, dass sie heutzutage große Touristenattraktionen waren, sodass es in der Umgebung meist von Geschäften, Restaurants und Hotels für müde Reisende mit zu viel Geld wimmelte Ryan und ich warteten stumm in der Dunkelheit, bis wir sahen, wie der Taxifahrer nach Heraklion in die relative Sicherheit der Stadt
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