Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
mich, aber eigentlich zu Unrecht. Das letzte Mal war er in der Themis-Zentrale so aus dem Nichts aufgetaucht, in der Nacht des Angriffs und des Opfers in Stonehenge.
„Hast du Angst, noch ein Ritual zu verpassen?" Diesmal lächelte Jabari, finster und bösartig. „Hab das letzte gerade verpasst." Das Lächeln glitt von seinen Zügen, und er wurde wieder ernst. „Du weißt, warum ich hier bin. Aus demselben Grund, aus dem ich dich nach Venedig befohlen habe. Es war der Ort auf der Welt, an dem du dich als größter Störfaktor erweisen konntest." „Wegen der Naturi im Thronsaal", sagte ich. Jabari nickte nur, während das Lächeln auf seine Lippen zurückkehrte.
Ich ließ die Hände sinken und lehnte mich gegen den Sarg, der mir tagsüber als Bett gedient hatte. „Jetzt mal ehrlich, alter Freund, hat Macaire mir die Wahrheit gesagt? Nur so zwischen mir und dir und den Spinnen hier." „Das weiß ich wirklich nicht, aber nach meiner Erfahrung sagt Macaire nur äußerst selten die Wahrheit", antwortete Jabari in ebenso spöttischem Tonfall wie ich. „Hat der Konvent wirklich einen Pakt mit den Naturi geschlossen?" „Mit einer Splittergruppe der Naturi, ja", berichtigte Jabari.
Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte, ein Lachen zu unterdrücken, als er so um den heißen Brei herumschlich. „Sie wollen, dass wir Aurora töten." „So ist es." „Und der Konvent will, dass sie unseren Regenten töten." Jabari schwieg dazu, nickte aber einmal.
Jawohl, ich war tatsächlich die einzige Nachtwandlerin, die verrückt genug war, diese Worte laut auszusprechen. Andererseits wollten mich sowieso schon jede Menge Leute umbringen, welche Rolle spielte da einer mehr?
„Und zwar, weil er das Große Erwachen vorziehen will." Jabari nickte erneut.
„Das ist doch lächerlich!", rief ich und unterdrückte den Impuls, in der winzigen Krypta nervös auf und ab zu laufen. „Das ist doch bloß ein Machtspielchen von Macaire. Ihm muss doch klar sein, dass es das Große Erwachen einläutet, wenn wir zulassen, dass das Tor geöffnet wird. Einen Krieg mit den Naturi können wir unmöglich vor den Menschen geheim halten."
„Das stimmt zwar, aber es stellt sich als sehr effektiv heraus. Tabor war unerbittlich gegen den Plan und hat gedroht, sich an unseren Regenten zu wenden." „Und hat dafür mit dem Leben bezahlt", sagte ich und führte den Gedanken zu Ende. „Ich nehme an, das ist auch der Grund, warum dich in den letzten Jahren niemand aufspüren konnte."
„Ich ziehe meine Privatsphäre vor, ja", murmelte Jabari, als ob all das nur ein bedeutungsloses Spiel wäre. Er lehnte sich an die gegenüberliegende Wand und stellte ein Bein vor das andere. Dank seiner dunklen Haut verschmolz er fast mit der Dunkelheit, was der Nacht dort, wo er stand, einen fast samtigen Schimmer verlieh. „Aber das verstehe ich nicht." Verärgert fuhr ich mir mit der Hand durch das schmutzige, verfilzte Haar.
„Warum werde ich da mit hineingezogen? Töte Macaire und mach dem Pakt ein Ende. Dafür hättest du mich in Venedig nicht gebraucht."
„Ich habe dich gebraucht, um in Venedig Chaos zu verbreiten, um damit zu drohen, unser Geheimnis auszuplaudern und unsere Treffen mit den Naturi zu stören. Das macht ihnen Angst, und wir müssen dafür sorgen, dass sie Angst vor uns haben. Außerdem solltest du Macaire niemals unterschätzen. Er ist schon länger im Konvent als ich. Er ist schwerer zu töten, als man denken könnte."
„Also wurde ich nach Venedig gerufen, um das Geheimnis zu entdecken?" „Mit dem Jäger an deiner Seite war das unvermeidlich." „Und Nicolai?" „Wir haben ihn als Opfer angeboten." „Also sollte ich ihn retten .. " „Nein, du solltest ihn töten, aber schlussendlich hat alles doch noch gepasst", gab Jabari zu und zuckte mit den breiten Schultern. „Und wie sieht der nächste Schritt in deinem Masterplan aus?", herrschte ich ihn an, als mein Temperament aufbrauste. Seit ich in Venedig aus dem Flugzeug gestiegen war, hatte man mich ausgenutzt und manipuliert. Jabari musste nicht einmal seine Kräfte einsetzen, um mich zu lenken. Es reichte ihm schon, dass ich aus eigenem Antrieb durch die Gegend lief und wo ich ging und stand Chaos anrichtete.
„Der gleiche Plan, den du dir sicherlich schon zusammen mit dem Jäger zurechtgelegt hast", sagte Jabari und stieß sich von der Wand ab. Er kam langsam zu mir herüber und baute sich vor mir auf. Nur eine schmale Luftsäule trennte uns noch, als er erneut zu sprechen
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