Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
seinen Abscheu vor dem, was ich getan hatte, förmlich spüren. Für seine Begriffe hatte ich mir einen Sklaven genommen. Am Besitz eines anderen denkenden Lebewesens war nichts Befreiendes. Aber manchmal musste man abscheuliche Dinge tun, um diejenigen zu beschützen, die schwächer waren als man selbst. Mit etwas Glück hatte ich Tristans Leben gerettet, wenn auch nur für ein paar Stunden.
Leider hieß das auch, dass ich jetzt das eine getan hatte, von dem ich mir geschworen hatte, es niemals zu tun - ich hatte eine Familie gegründet. Tristan gehörte mir, solange ich den Anspruch aufrechterhielt. Es lag an mir, ihn zu führen und zu beschützen. In meiner Domäne Savannah war ich die Hüterin, aber das bedeutete nichts weiter, als dass ich den Frieden und unser Geheimnis bewahrte. Kein Nachtwandler gehörte mir oder lebte sein Leben in Abhängigkeit von meinen Wünschen und Gelüsten. Knox und Amanda arbeiteten für mich als Assistenten, aber es stand ihnen jederzeit frei, Savannah zu verlassen und ihr eigenes Leben zu führen. Für Tristan galt das nicht. Und ich konnte nicht ohne Tristan gehen.
Wut kochte in mir hoch, und ich hatte noch nicht mal unser Hotelzimmer verlassen. Die Sache lief nicht allzu gut. Wenigstens war Tristan jetzt etwas besser geschützt als noch vor einigen Minuten. Aber ich hatte eine wichtige Grenze überschritten, als ich Sadira vor ihren eigenen Augen ihr Spielzeug weggenommen hatte. Das passierte zwar manchmal unter Nachtwandlern, aber noch nie hatte ein Vampirkind seinem Schöpfer ein anderes Kind gestohlen. Das warf ein ziemlich schlechtes Licht auf Sadira. Wenn sie irgendwie ihr Gesicht wahren wollte, würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als mit mir um Tristan zu kämpfen.
Und jetzt gerade freute ich mich auf die Gelegenheit, mich auf sie zu stürzen. Abgesehen von unserer eigenen dunklen Vergangenheit, hatte sie Tristan auch noch der zweifelhaften Gnade der Nachtwandler überlassen wollen, die sich beim Konvent herumtrieben. Vor Jahren hatte sie mir das Gleiche angetan, und allein meine Stärke und meine Macht über das Feuer hatten mir das Leben gerettet. Tristan hätte den Sonnenaufgang nicht mehr erlebt, wenn ich nichts unternommen hätte. Das war zwar immer noch nicht sicher, aber jetzt hatte er wenigstens eine winzige Chance.
„Also los", sagte ich und warf Sadira einen raschen Blick zu, während ich an ihrer immer noch halb auf dem Boden liegenden Gestalt vorbeiging und das Zimmer verließ. Ihre Augen sprühten vor Hass, und ihre Finger krümmten sich zu Klauen. Wir würden uns noch sprechen, daran hatte ich keinen Zweifel, aber jetzt mussten wir uns um andere Dinge kümmern. Leise marschierten wir zum wartenden Schnellboot, während Tristan allein im Hotelzimmer zurückblieb.
Um uns herum drängten sich Menschen in den Kanälen oder eilten über die Lagune, zu einem ausgelassenen Abend oder auf dem Rückweg von einem langen Arbeitstag. Ein lauer Sommerwind streichelte meine nackte Haut und barg mich in seinen Armen. Der salzige Hauch der Adria hing in der Luft. Vor uns ragte die Insel San demente auf, wo das große Hotel sich hob und senkte, als das Boot hüpfend durch die Wellen schnitt, die einige der größeren Fähren hinter sich herzogen. Kaum eine Viertelstunde später hatten wir die Lagune überquert und an der Insel festgemacht. Es waren zugleich die längsten und kürzesten fünfzehn Minuten meines Daseins.
Als ich beim Aussteigen aufstand, sah ich zu Danaus hinüber, der sich bei der Überfahrt neben mich gesetzt hatte. Er senkte den Blick auf meinen Rücken und sah mir dann wieder ins Gesicht. Stumm formten seine Lippen die Worte Tritt mich, was ein verhaltenes Lächeln auf mein Gesicht zauberte. Ich fühlte mich im Moment ständig getreten, aber wenigstens zog er in diesem üblen Moment die Sache mit mir gemeinsam durch.
„Ich schätze, ihr kennt den Weg", sagte Roberto und kräuselte abfällig die Lippen. Irgendwie war es fast komisch. Wo er gestern noch galant gewesen war, war er heute im selben Maß streitsüchtig und eingebildet. Offensichtlich hatte ich das Unterhaltungsprogramm für die Nacht verdorben. Na schön, sollte er das mit der Geschäftsleitung ausmachen. Ich hatte da auch schon ein paar gesalzene Beschwerden auf Lager. „Ja, ich kenne den Weg. Viel Spaß heute Nacht", spottete ich und winkte ihm zu, als ich auf den Pier hinausstieg.
Der Nachtwandler blieb stumm, als er den Rückwärtsgang einlegte und ablegte. Sein nächstes
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