Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
gewusst, dass er ausgenutzt wurde. Er hatte nicht gewusst, dass er half, jemanden zu foltern. Ich fragte mich, ob er gehorcht hätte, wenn er den Plan gekannt hätte. Der schmerzlichen Wut in seinen kupferbraunen Augen nach zu urteilen bezweifelte ich es.
Wir sprachen kein Wort, bis wir das kleine Schnellboot erreichten. Nicolai half mir, Tristan ins Boot zu setzen. Der Nachtwandler seufzte tief, als er auf dem Bauch auf der Bank lag. „Ich hätte dich töten können", sagte Nicolai unvermittelt und lenkte meinen Blick zurück zu seinem schönen Gesicht. Die Hände in den Taschen seiner schmutzigen weiten Hose vergraben, stand er auf dem Dock.
Auf seiner linken Wange war ein Schmutzstreifen, und ein blonder Bartschatten lag auf seinem harten Kinn. Ein verschmierter Blutfleck verunzierte seine Schläfe an der Stelle, an der ich mit dem Stein zugeschlagen hatte, aber es gab keine Schwellung oder irgendeine Verfärbung. Sein Blick war durchdringend und ließ mich einen Moment verstummen, weil ich die Gefühle, die so dicht unter der Oberfläche lagen, nicht deuten konnte.
„Fähig wärst du dazu", gab ich zu, und ein Lächeln spielte um meine Lippen. „Aber heute Nacht hättest du mich nicht töten können. Du hattest keinen ausreichend guten Grund, und man braucht einen guten Grund zum Töten." Es war nur eine Vermutung, aber ich war mir sicher, dass sie weitgehend zutraf. Nicolai schnaubte und öffnete protestierend den Mund, aber ich hob die Hand und fuhrt fort, bevor er etwas sagen konnte: „Geh nicht vor Tagesanbruch in den Thronsaal zurück. Ich habe die Leute dort in keiner besonders guten Stimmung zurückgelassen."
„Danke für die Warnung", sagte er mit einem halben Lächeln. Ich nickte ihm zu, warf den Motor an und legte von dem steinernen Dock ab. Ich konnte es kaum erwarten, Tristan in unsere vergleichsweise sichere Suite zurückzubringen. Als wir wieder auf die Lagune hinausfuhren, waren seine schlimmsten Wunden verheilt, und er kam langsam zur Ruhe.
Meine Muskeln waren übel zugerichtet, und der Wind kühlte das Blut, das meinen Körper bedeckte. Stumm überquerten wir die dunklen Wasser, ganz in unsere eigenen Gedanken versunken. Selbst jetzt noch konnte ich Sadira schreien hören und spürte Gwens warmes Herz zwischen meinen Fingern hervorquellen. Die leise Berührung jeder Seele, die den Körper eines Nachtwandlers verließ, den ich heute Nacht getötet hatte, schwirrte mir durch den Kopf, und ich lächelte.
Ich fühlte mich mit jedem Dasein, das ich auslöschte, lebendiger, und ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen.
Vielleicht war es falsch gewesen, was ich Danaus erzählt hatte. Vielleicht war ich tatsächlich böse. Ich hätte behaupten können, dass ich diese Nachtwandler aus dem Hofstaat des Konvents getötet hatte, um sie daran zu hindern, einem anderen Vampir etwas anzutun. Ich hätte behaupten können, dass ich es getan hatte, um Tristan zu schützen. Aber das wäre eine Lüge gewesen. Ich hatte es getan, um meine Macht zu demonstrieren und meine Gewalt über sie auszuspielen. Ich hatte sie einfach deshalb getötet, weil ich es konnte.
Die Nacht schloss sich warm und feucht um mich, wie die Lippen eines Liebhabers an meiner Halsbeuge. Aber ich wollte dieses Gefühl beiseiteschieben. Ich wollte nicht berührt werden. Ich wollte keinem zweiten Herzschlag lauschen oder die Wärme spüren, die ein anderer menschlicher Körper verströmte. Ich wollte nicht aufschauen und Tristans gehetztem Blick begegnen, während er Fragen stellte, bei denen ich mich nicht zu einer Antwort durchringen konnte.
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit war ich allein. Gabriel, mein Schutzengel, war Hunderte von Meilen weit weg, und Danaus war immer noch sicher in einer Kirche versteckt - weit weg von mir und meinesgleichen. Tristan hatte ich auf dem Bett zusammengerollt zurückgelassen. Nach einer kurzen Dusche, um die frische Blutschicht loszuwerden, schlüpfte ich hinaus zum Bootsanleger.
Während ich über die Lagune jagte, brüllte der Motor meines kleinen Schnellbootes auf, sodass es mich bis auf die Knochen durchschüttelte. Wellen klatschten gegen die Seiten des Bootes, und der Wind riss mir am Haar und zerzauste es. Dunkelheit ballte sich um mich, als ich die Lichter und das stotternde Herz Venedigs hinter mir ließ. Ich musste vom Herzschlag der Menschheit weg, um nachdenken zu können. Und doch fürchtete sich etwas in mir davor, die dunklen Untiefen meiner Gefühle allzu weit
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