Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
darüber, dass er beschlossen hatte, Englisch zu sprechen. Ich musste mich zurückhalten, nicht die Arme vor der Brust zu verschränken. Ich wollte ihn nicht merken lassen, wie angespannt ich war, aber ich war mir sicher, dass er es an meinen steifen Schultern und den verzogenen Mundwinkeln ablesen konnte.
„Wo ist dein Gefährte? Der Jäger?", fragte er und steckte die Hände in die Hosentaschen. „In seiner Suite. Ich hatte angenommen, du wolltest ein Treffen unter vier Augen." „Oh, das stimmt auch", sagte er und lächelte noch strahlender. Valerio machte einen letzten Schritt auf mich zu, bis seine Jackettaufschläge leicht über meine Brüste streiften. Seine linke Hand fing meine herabhängende Rechte an meiner Seite ein, und die rechte Hand legte er auf meine Hüfte, während er mich in einem raschen Walzer durch die Lobby schob. Wenn wir nicht von den Augen der Menschen in diesem luxuriösen Eingangsbereich abgeschirmt gewesen wären, hätten wir sicherlich neugierige Blicke auf uns gezogen. „Ich konnte es kaum erwarten, einige Dinge mit dir zu besprechen, meine liebe Mira."
Als ich leicht den Kopf neigte, um ihm in die Augen zu sehen, nutzte Valerio unsere Nähe aus und presste seine Lippen auf meine. Mein Körper reagierte auf die vertraute Berührung, noch bevor mein Verstand sich einschalten konnte. Wir hielten inne, und ich lehnte mich an seine muskulöse Gestalt, während ich mich in seine Umarmung fallen ließ und langsam die Augen schloss. Seine Rechte wanderte von meiner Hüfte zu meinem Rücken und zog mich eng an seinen Körper.
Seine vertraute Berührung vertrieb die Anspannung aus meinen Schultern und aus den Muskeln in meinen Gliedern. Sein Geruch kitzelte meine Nase, wie um die guten Erinnerungen an ihn, die ich vergraben hatte, wieder hervorzulocken. Aus irgendeinem seltsamen Grund roch der Nachtwandler nach Zimt. Aber es war falsch. Mein Verstand gewann endlich die Oberhand über die Empfindungen, die durch meinen Körper pulsierten. Valerio bedeutete Ärger. Er war ein weiterer Intrigant und Mörder. Und der Kuss unterschied sich in nichts von dem, den ich von Rowe bekommen hatte, denn auch er sorgte dafür, dass ich mich ausgenutzt und schmutzig fühlte. Ich hatte mit Valerio mehr blutgetränkte Nächte verbracht als in all den Jahren mit Sadira und Jabari. Der einzige Unterschied war, dass Valerio ein Vergnügen aus dem gemacht hatte, was bei seinen Vorgängern ein Albtraum gewesen war.
Ich unterbrach den Kuss und machte mich von ihm los. Der Nachtwandler unternahm nichts dagegen, dass ich ein paar Schritte von seiner Umarmung zurückwich. Ich rieb mir die Augen und staunte darüber, wie schnell er mir den Kopf verdreht hatte. „Rühr mich nicht an", sagte ich mit kalter, harter Stimme. „Ich habe dich vermisst, Mira", raunte er und lenkte meinen Blick wieder auf sein Gesicht. Ich schnaubte und unterdrückte das bittere Lachen, das mir beinahe entschlüpft wäre. „Und letzte Nacht hast du mich noch eine Verräterin genannt. Ich bin keine Närrin, Valerio."
„Manchmal närrisch, aber sicher keine Närrin", sagte er. Sein Lächeln wurde breiter und entblößte ein Paar blendend weiße Eckzähne. Resigniert winkte ich ab und wand mich zum Gehen, als mich mein gedämpftes Schrittgeräusch innehalten ließ.
Ich blickte auf einen Fußboden mit dicken weißen Teppichen hinab. Die Hotellobby war vollständig mit Marmor ausgekleidet. Ich schaute rasch auf und stellte fest, dass ich nicht länger in der Lobby des Cipriani stand, sondern in einem Salon mit antiken Möbeln. „Verdammt, Valerio", knurrte ich und schlich zu einem der verhängten Fenster in der gegenüberliegenden Wand. „Wo zur Hölle bin ich?" Die Einrichtung glich keinem der Bäume, die ich im Cipriani gesehen hatte.
Genauer gesagt erinnerte sie mich an nichts, was ich in Venedig gesehen hatte. „An einem ganz privaten Ort", antwortete er. Ich schenkte ihm keine Beachtung, packte die Vorhänge und riss sie auf. Dahinter wurde Beton sichtbar, wo zuvor die Kanäle von Venedig gewesen waren. Ich spähte die Straße auf und ab, erkannte aber zunächst keines der Gebäude. Ein Knoten aus Panik ballte sich in meinem Magen, und ich zwang mich, den Griff um die Vorhänge zu lösen, bevor ich sie in Flammen aufgehen ließ.
„Wo zur Hölle bin ich?", knurrte ich und drehte mich zu dem Nachtwandler um. Er stand reglos mitten im Baum, die Hände wieder in den Taschen. Mein Wutanfall änderte sein vollkommen ruhiges Betragen
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