Jägerin der Nacht - Der Anfang (Ein Patricia Vanhelsing Roman) (German Edition)
und ihre Augen wirkten wie im Angesicht eines unsichtbaren Schreckens.
Bevor sie die Tür des Salons erreichten, kamen sie an einem großformatigen Gemälde vorbei. Es zeigte einen Mann in den Fünfzigern. Das Gesicht wirkte entschlossen, das Profil kühn. Und das Haar wies unverkennbar einen Stich ins Rötliche auf - dort, wo es noch nicht ergraut war.
Sandra blieb stehen.
Ihr Blick hing wie gebannt an diesem Gemälde.
Sie schaute in die dunklen, energisch wirkenden Augen.
"Großvater!" flüsterte sie dann. "Mit deinem Tod begann das Verhängnis..."
"Sandra!" fuhr Eric mit tadelndem Unterton dazwischen.
Widerstrebend folgte sie ihm dann. Er öffnete die Tür des Salons. Eine breiter Treppenaufgang führte hinab in die Eingangshalle, wo ein dunkel gekleideter Mann mit rabenschwarzen Haaren auf sie wartete. Der Bart ließ ihn noch düsterer erscheinen. Der Blick seiner Augen war von ungewöhnlicher Intensität.
"Entschuldigen Sie, daß wir Sie haben warten lassen, Mr.
Milton", sagte Eric beinahe unterwürfig.
Milton erwiderte nichts. Sein Blick hing an Sandra.
"Wie geht es Ihnen?" fragte er die junge Frau, nachdem sie die Treppe hinabgestiegen und ihm entgegengetreten war. Sie schaute ihn an und hielt seinem stechenden Blick stand.
"Wie viele Unschuldige müssen noch sterben, Mr. Milton?"
"Unschuldige?" echote dieser. Während er lächelte entblößte er zwei Reihen makellos weiß blitzender Zähne. "Gibt es so etwas denn, verehrte Sandra?"
Eine grausame Unerbittlichkeit klang in diesen Worten mit.
Seine Augen leuchteten auf eine Weise, die Sandra unwillkürlich schaudern ließ.
Ein leises Kichern ging über Miltons dünne, blutleer wirkenden Lippen. Sein Gesicht verzog sich und bildete eine teuflische Grimasse.
"Ihre Skrupel hätten Ihnen etwas früher einfallen können, Sandra! Sie waren doch vollkommen besessen von dem Gedanken, die Wahrheit zu erfahren... Und auf die Risiken, die immer dann entstehen, wenn man die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich auf eine Weise überschreitet, die nicht der Natur entspricht, habe ich Sie hingewiesen!"
"Warum quälen Sie sie, Mr. Milton?“ fuhr Eric ärgerlich dazwischen.
"Ich quäle Ihre Schwester nicht, Eric! Ich nicht! Die Qual kommt aus Ihrer eigenen Seele..." Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Ein Muskel zuckte unruhig oberhalb des Wangenknochens. "Diese Qual wird Sie von innen heraus langsam zerfressen, Sandra."
"Hören Sie auf!" forderte Eric.
"Mir scheint, Ihrer beider Sehnsucht nach Wahrheit hat etwas nachgelassen!" stellte Milton mit einem satanisch wirkenden Lächeln fest.
Eric schluckte eine ärgerliche Erwiderung hinunter.
"Werden Sie uns helfen oder nicht?" fragte er dann.
Milton schaute ihn an. Sein stechender Blick fixierte Eric geradezu. Dieser düstere Mann schien es zu genießen, wie sein Gegenüber in seiner Gegenwart innerlich zu einem kleinen Wurm zusammenschrumpfte.
"Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung", erklärte er dann.
"Aber ich garantiere für nichts!"
*
Jim hatte die Fotos im Schnellverfahren entwickelt. Das Ergebnis war ernüchternd. Auf keinem der Abzüge war irgend etwas von einem Leichenwagen zu sehen, obwohl die Fotos sonst von guter Qualität waren.
Es war gespenstisch.
Als ob es diesen Wagen nie gegeben hätte! ging es mir schaudernd durch den Kopf.
Am Abend fuhr ich nicht wie sonst direkt nach Hause, sondern machte einen Umweg über die Ladbroke Grove Road, wo Tom Hamilton eine großzügige Altbauwohnung gemietet hatte.
Ich mußte ihn jetzt einfach zur Rede stellen.
Er sah mich etwas erstaunt an, als ich vor seiner Wohnungstür stand.
Seine graugrünen Augen musterten mich fragend. Dann bildete sich ein verhaltenes Lächeln um seine schmalen Lippen herum.
"So spät noch, Patricia?"
"Ich bin nicht hier, um..."
"Um mit mir Essen zu gehen?" Er lachte. "Das ist schade, Patti. Ich habe nämlich einen wahnsinnigen Hunger."
Unsere Blicke verschmolzen für einige Augenblicke miteinander. Er ist ein wahnsinnig attraktiver Mann! ging es mir in dieser Sekunde durch den Kopf. Zu dumm, daß ich ihn unter diesen Umständen aufsuchen mußte.
"Warum schnüffeln Sie in dem Leichenwagen-Fall herum? Was haben Sie in der Anwaltskanzlei zu suchen gehabt und was bedeutet der Name Bascomb?"
Er trat etwas näher an mich heran.
Sein Lächeln war entwaffnend. In diesem Augenblick gefiel mir das allerdings ganz und gar nicht.
Ich hatte mir fest vorgenommen, mich nicht von seinem Charme
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