Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
Blick auf das Lenkrad. »Ich kann kein Feuer mehr machen.«
Fast eine Minute lang starrte ich die Nachtwandlerin sprachlos an. Offenbar versagte mir mein Gehirn bei dieser erschütternden Neuigkeit den Dienst. Die Feuermacherin konnte kein Feuer mehr machen. Wie war das nur möglich? Und was würde aus ihr werden? Wie würde es ihre Stellung in der Domäne beeinflussen, wenn die anderen Nachtwandler von diesem unangenehmen kleinen Geheimnis Wind bekamen? Feuer war immer das gewesen, was Mira vor allen anderen ausgezeichnet hatte.
»Wie ist denn das passiert? Und wann? Liegt es an dem, was Cynnia mir dir gemacht hat? Nein, das kann nicht sein, in Machu Picchu hast du ja noch Feuer benutzt und auch noch im Gewächshaus. Hast du deine Fähigkeit vollkommen verloren?«, sprudelte es aus mir heraus, noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte.
»Nein, habe ich nicht«, sagte sie. Es klang gequält und abweisend. »Ich könnte dich immer noch zu Asche verbrennen, wenn ich Lust dazu hätte, also spar dir die Schadenfreude.« Mira holte tief Luft, obwohl sie gar keinen Sauerstoff brauchte, und umklammerte das Steuerrad. »Ich habe mich nicht genügend gekräftigt.«
»Ist mir auch schon aufgefallen«, knurrte ich. Sobald ich meine geistigen Schutzschilde senkte, wenn ich mit Mira zusammen war, legte sich ein roter Schleier über die ganze Welt. Ihr Hunger stürmte auf mich ein, bis ich glaubte, ich würde den Verstand verlieren. Ich verstand einfach nicht, wie sie in diesem Chaos überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte.
»Ich habe mich nicht genügend gekräftigt«, wiederholte sie steif und überging meinen Einwurf. »Ich habe nicht mehr genügend Energie, um Feuer zu erschaffen und zu beherrschen. Es wäre zu anstrengend. In einer absoluten Notlage, wenn mir wirklich nichts anderes übrig bleibt, dann ja, aber selbst dann wäre ich hinterher … «
»… verletzlich«, beendete ich den Satz.
»Ja.«
Ich dachte einen Herzschlag lang darüber nach. Sie war schwach, kaum mehr als eine gewöhnliche Nachtwandlerin. Und sie verfügte nicht über die Macht, mich in Brand zu stecken. Wenn ich jetzt den Versuch unternahm, sie zu töten, hätte sie nicht die Kraft, sich zur Wehr zu setzen. Der Kampf wäre nach wenigen Minuten vorbei, und die Welt wäre endlich von einer der gefährlichsten Kreaturen aller Zeiten befreit.
Und doch wusste ich schon einen Herzschlag später, dass ich es nicht über mich bringen würde. Ich konnte Mira nicht töten. Vielleicht würde es mir eines Tages gelingen, sie zu schlagen, wenn wir uns auf verschiedenen Seiten eines Schlachtfeldes fanden, anstatt einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Aber nicht heute Nacht. Im Moment war sie meine Verbündete, die eine Person auf dieser Welt, die zu beschützen ich geschworen hatte. Damit war sie nicht nur vor mir sicher, sie brauchte außerdem auch noch meine Hilfe.
Ich legte den rechten Ellbogen auf die Tür und stützte den Kopf in die Hand. Was ich jetzt sagen würde, kam mir selbst unglaublich vor. »Dann kräftige dich, Mira! Wir können es uns nicht erlauben, dass du schwach oder unkonzentriert bist. Die Naturi treiben in deiner Domäne ihr Unwesen, und irgendetwas anderes frisst kleine Mädchen.«
»Du glaubst, dieses Ding ist kein Naturi?«
Ich seufzte und war milde überrascht, dass mein Atem als Wölkchen zu erkennen war. Die Wahrheit konnte ich ihr nicht offenbaren, dazu war ich noch nicht bereit. Ich brauchte mehr Zeit zum Nachdenken, um herauszukriegen, wie um alles in der Welt wir mit dieser Bedrohung fertig werden sollten, bevor ich die Katze aus dem Sack ließ. »Ich weiß nicht. Du hast doch von einem komischen Geruch gesprochen, den du vielleicht identifizieren würdest. Und du hattest doch Berührung mit jeder Art von Naturi und würdest es daher wissen, wenn es ihr Geruch wäre.«
»Dann ist der Angreifer also vielleicht gar kein Naturi. Könnte es dann ein Lykaner sein? Oder … ein Zauberer?«
»Oder ein Bori?«, fragte ich und sprach damit aus, was sie niemals erwähnt hätte. Aber der Vorschlag musste jetzt kommen. Sie musste wenigstens mal darüber nachdenken.
»Äußerst unwahrscheinlich.«
»Aber sicher hättest du es auch für äußerst unwahrscheinlich gehalten, dass der Makel in Peru irgendeinen Einfluss auf mich haben könnte, und trotzdem war es so«, sagte ich und sah sie direkt an. Jener Zauberspruch hatte den Bori in mir erweckt, der einen Teil meiner Seele in seinen Klauen hielt, und das hatte
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