Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
Auto die Schlüssel in der Linken. Ich warf einen Blick zurück zum Pavillon und erkannte, dass Tristan sich bereits lautlos davongemacht hatte. Vermutlich war er durch eins der großen Fenster geklettert und strich jetzt über den dunklen Platz. Ich holte tief Luft, tastete mit meinen Kräften umher und dehnte sie dabei bis über den Platz aus. Tristan war leicht aufzuspüren. Er befand sich bereits am anderen Ende des Platzes, tief in den Schatten, die sich in den Winkeln des Parks ballten. Die Vampire, die ich vorhin noch in der Entfernung gespürt hatte, waren schon verschwunden.
Es blieben noch ein paar Stunden bis Sonnenaufgang, aber es schien, als wollte Mira die Ermittlungen für heute Nacht auf sich beruhen lassen. Ob sie müde war? Ihrer extremen Blässe und dem kalten, wächsernen Gefühl ihrer Haut nach zu urteilen, wusste ich, dass es schon eine Weile her war, seit sie sich das letzte Mal gekräftigt hatte. Außerdem spürte ich ihren Hunger förmlich pulsieren, aber der Eindruck war immer noch schwach und entfernt, als kündigte sich das Gefühl erst langsam an. Ich wusste, dass sie sich in meiner Gegenwart nicht kräftigen würde, wofür ich ausgesprochen dankbar war. Das wollte ich wirklich nicht mit ansehen oder spüren. Aber selbst wenn sie mich nur loswerden wollte, um in Ruhe zu trinken, blieben immer noch zu viele Stunden, bis sie in ihre Zuflucht musste. Ich traute ihr durchaus zu, dass sie die Ermittlungen ohne mich weiterführen wollte. Wollte sie etwa ihre Leute vor mir schützen – oder nur Tristan?
Ich durchleuchtete die andere Seite des Parks und erstarrte. Mir stockte der Atem.
»Mira!« Ich brüllte und wirbelte auf dem Absatz zu der Feuermacherin herum. Sie hielt inne und sah mich an, während sie immer noch mit dem Schlüsselbund klimperte. Das leise metallische Klirren war das einzige Geräusch in der Luft. »Was ist da oben auf dem Hügel?« Ich deutete auf die dunkle, gewundene Straße, die hinter einer scharfen Kurve verschwand.
»Das Gewächshaus. Warum?«
»Naturi.«
15
Das Telfair-Gewächshaus war ein großes Gebäude, das fast vollständig aus Glas und Stahl erbaut war und einige der seltensten Pflanzen und Blumen der Welt beherbergte. Abgesehen von ein paar Straßenlaternen vor und hinter dem Häuserblock lag die Umgebung komplett im Dunkeln. Rund um das Gewächshaus ragten hohe Bäume und Palmen empor wie Urzeittiere, die das Haus und seine Geheimnisse in der Nacht bewachten.
Mira parkte ihren Wagen vor dem gewaltigen Treibhaus und schob sich die Schlüssel tief in die Hosentasche, sodass sie beim Gehen nicht klimpern würden. Zum ersten Mal heute Nacht in Savannah wirkte sie nervös. Sie ballte die Fäuste, ihr Gesicht war völlig reglos.
Natürlich erging es mir nicht besser. Irgendwo in diesem riesigen Gebäude befanden sich sechs Naturi, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, was sie dort wollten. Ob es etwas mit Abigail zu tun hatte? Oder hatte ihre Königin Aurora sie geschickt, um eine ganz bestimmte Pflanze oder Blume für einen Zauber zu besorgen? Aber warum dann ausgerechnet hier? Das Telfair-Gewächshaus konnte doch nicht die einzige Anlage seiner Art sein, in der es zu finden gab, was Aurora brauchte. Warum sollte sie sich freiwillig in Miras Domäne begeben, wenn sie sich nicht mit der Feuermacherin anlegen wollte?
Leider hatte ich keine Ahnung, was uns erwartete. Ich spürte lediglich Naturi, aber mit welchem Clan wir es zu tun bekommen würden, vermochte ich nicht zu sagen.
»Mach den Kofferraum auf«, sagte ich, als Mira sich vom Wagen entfernte. Die Vampirin zog stirnrunzelnd ihre Schlüssel aus der Tasche und drückte den Knopf auf der Fernbedienung. Der Verschluss klickte gedämpft, und der Deckel sprang auf.
Ich hob die Abdeckung noch etwas weiter an und wühlte mich durch meinen Seesack. Rasch inspizierte ich im schwachen gelben Licht der Kofferraumbeleuchtung meinen Browning, um sicherzugehen, dass das Magazin noch voll war. Dann schob ich ihn ins Holster zurück und befestigte es im Kreuz am Gürtel. Schließlich zog ich die Jacke aus und warf sie in den Kofferraum. Die kalte Nachtluft drang durch meinen Rollkragenpullover.
»Brauchst du noch was?«, fragte ich und warf Mira einen Blick zu. Die Nachtwandlerin sah kurz über die Schulter zu dem hoch aufragenden Glaskomplex hinüber und kam dann mit missmutigem Gesichtsausdruck zu mir. Sie öffnete ihre Tasche und holte die Glock heraus, die ich ihr vor Monaten in Venedig gegeben hatte.
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