Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
Routinierter, als ich gedacht hätte, schüttelte sie das Magazin aus der Pistole, warf einen schnellen Blick auf die Patronen und füllte es auf. Als ich ihr die Waffe zum ersten Mal in die Hand gedrückt hatte, hatte sie sie wie Abfall von sich gestreckt. Anscheinend hatte sie ihre Einstellung zu Schusswaffen überdacht. Obwohl ich selbst nie ein großer Waffennarr war, fand ich sie im Kampf gegen die Naturi äußerst effektiv. Also hatte ich mich widerstrebend an sie gewöhnt.
Mira steckte sich die Pistole in die Jackentasche und schloss sachte den Kofferraum. Dann führte sie mich um das Gewächshaus herum zu einem Nebeneingang. Ich zog das Portmonnaie aus der Gesäßtasche und entnahm ihm einige Werkzeuge, um das Schloss zu knacken. Diese Fähigkeit hatte ich mir während meiner Reisen in den fernen Osten angeeignet und nach meiner Ankunft in London perfektioniert, obwohl mir die ausgeklügelten Alarmsysteme immer noch Kopfzerbrechen bereiteten. Ich wollte mich eben vor die Tür mit dem abgerundeten Stahlknauf knien, als Mira mich mit einer Berührung an der Schulter zurückhielt. Sie schob sich vor mich und zog nun ihrerseits das Portmonnaie aus der Gesäßtasche. Ich schnaubte verächtlich, als sie eine Kreditkarte hervorholte und die Brieftasche wieder verstaute.
»Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?«, flüsterte ich.
»Nee«, murmelte sie. Vorsichtig schob sie die Kreditkarte in den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen. »Das Gewächshaus wird vom örtlichen Werwolfrudel betrieben und finanziert. Nur Idioten, denen nichts an ihrem Leben liegt, brechen hier ein.«
Ja, Idioten wie wir, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Mit Mira war einfach immer was los.
Kaum hatte sie die Karte ein paarmal hin und her geschoben, hatte Mira die Tür auch schon geöffnet.
»Du machst das nicht zum ersten Mal, oder?«, fragte ich, während sie die Kreditkarte wieder verstaute.
»Das ist einer meiner Lieblingsplätze in der Stadt, aber sie schließen schon um fünf. Was bleibt mir da anderes übrig?«, zischte sie.
»War kein Vorwurf.« War es wirklich nicht. Mira musste wegen ihrer ausgeprägten Sonnenallergie auf eine ganze Menge verzichten.
»Hat sich aber so angehört«, grummelte sie und ließ die Tür beim Eintreten los. Ich konnte das schwere Metallding gerade noch festhalten, bevor es mit einem Knall zufiel.
»Warum gibt man dir nicht einfach einen Schlüssel?«, flüsterte ich.
Mira warf mir über die Schulter einen Blick zu und verzog fragend das Gesicht. »Wozu denn? Meine Methode funktioniert doch prima.«
Ich folgte ihr und schloss lautlos die Tür, während ich innerlich ihre ewige Nörgelei verfluchte. Ihre plötzlichen Stimmungsumschwünge hingegen verstand ich sehr gut. Die Naturi jagten ihr Angst ein. Keiner von uns beiden wusste, was uns erwartete. Möglicherweise stand uns ein Kampf bevor, und dabei konnte jeder der fünf Clans unser Gegner sein – oder sogar Aurora höchstpersönlich, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Königin der Naturi sich Mira selbst stellen würde. Nachdem die Nachtwandlerin ihr fast das Herz herausgerissen hatte, konnten wir getrost davon ausgehen, dass Aurora der Feuermacherin eine kleine Verschnaufpause gönnen würde.
Das Mondlicht wurde mit einem Mal vom dicken Blätterdickicht über uns ausgesperrt. Die Luft war warm und schwer vom Geruch der Pflanzen. Aus der Tiefe des Raumes drang schwach das Geräusch tropfenden Wassers. Ein Dutzend verschiedener Blumendüfte stürmte auf mich ein und mischte sich mit dem Lilienhauch, der von der Nachtwandlerin vor mir ausging.
Mira blieb kurz hinter dem Eingang stehen und verharrte stumm wie eine Statue. Sie streckte die linke Hand hinter sich, bis ihre Finger meinen Arm streiften.
Sind sie in der Nähe? Die Frage erklang in meinem Kopf. Zusammen mit den fünf Wörtern erreichte mich ein Gefühlssturm, in dem ich nicht mal alle Regungen benennen konnte. Doch Wut überwog. Die Naturi waren nicht nur in ihre Heimatstadt eingedrungen, sondern auch noch in den einzigen Ort, den sie als ihre private Zuflucht betrachtete.
»Nein«, flüsterte ich und wischte ihre Hand beiseite. Ich wollte nicht, dass sie in meinen Kopf eindrang und sich in meine Gedanken einmischte. »Ich glaube, sie sind am anderen Ende des Gebäudes, in einem größeren Raum.«
»Wie viele?«
»Sechs.«
»Kannst du sie sehen?«
»Ein bisschen.« Ich zögerte und blinzelte ein paarmal, während ich darauf wartete, dass meine
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