Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
James.«
»Hast du ihm etwa gedroht?« Mein Assistent wusste genau, dass er meine Nummer nicht einfach so rausgeben durfte. Er konnte sich schon glücklich schätzen, wenn ich seine Anrufe entgegennahm. Verdammt, vermutlich hatte nicht mal Ryan diese Nummer!
Miras temperamentvolles Lachen perlte durch den Hörer, klang aber bei Weitem nicht so fröhlich wie sonst. Ich war irgendwie erleichtert, dass selbst ihre Kräfte Grenzen kannten. »Natürlich nicht. James liebt mich einfach«, antwortete sie beinahe schnurrend.
Ich schnaubte und sah durch die Fensterfront auf die Straße hinaus. Draußen drängten sich die Autos, auf deren Windschutzscheiben sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten. Anzugträger mit Aktentaschen überquerten den Platz und eilten zu den Parkplätzen überall in der Gegend.
»Wir haben heute Nacht noch einiges vor«, sagte Mira, aber ich hörte ihr nicht länger zu. Mir war plötzlich klar geworden, dass die Sonne noch längst nicht untergegangen und die Stadt noch hell erleuchtet war.
»Mira, es ist noch Tag«, sagte ich und konnte mir einen gereizten Unterton nicht verkneifen.
»Danaus, nicht alle Nachtwandler schlafen bis Sonnenuntergang«, antwortete Mira. Der spöttische Tonfall war nicht zu überhören.
»Du schon«, versetzte ich. »Du bist doch eine Langschläferin.«
Wieder lachte die Nachtwandlerin, aber diesmal klang es düsterer, kälter. Von der sorglosen Fröhlichkeit, die Mira sonst auf Schritt und Tritt zu begleiten schien, war nichts mehr zu spüren. Jetzt kam ihre andere Seite zum Vorschein, die ich kennengelernt hatte, als sie sich in Venedig mit dem Konvent anlegte, und die sich zeigte, wenn die Sprache auf die Naturi kam. Es war das Lachen einer skrupellosen, berechnenden Mörderin.
»Ich hole dich in etwa anderthalb Stunden ab. Halt dich bereit!« Die Leitung war tot, bevor ich zum Nachfragen kam. Ich starrte auf das Handy in meiner Hand, während sich die Gedanken in meinem Kopf überschlugen.
Mira hatte die Fähigkeit, bereits vor Sonnenuntergang wach zu sein. Ich hatte zwar Uralte kennengelernt, die ein oder zwei Stunden vor der Dämmerung erwachen konnten, aber Mira war keine Uralte. War es ihr irgendwie gelungen, die Fesseln abzuschütteln, die die Sonne ihr angelegt hatte? James hatte berichtet, dass sie bei Themis tagsüber herumgelaufen war, und auch ich hatte sie am Tag in meinem Hotelzimmer gesehen. Sie hasste es, aber die Tatsache, dass Vampire tagsüber eingesperrt und hilflos waren, verschaffte den Menschen den einzigen, kostbaren Vorteil. Welchen Pakt mochte sie mit Ryan geschlossen haben?
Aber darauf wusste ich keine Antwort, und ich war mir ziemlich sicher, dass Mira mir freiwillig auch keine liefern würde. Im Grunde spielte es aber auch keine Rolle. Ihrem Verhalten im Hotel nach zu urteilen, war sie immer noch durch direktes Sonnenlicht zu verletzen. Mochte sie auch wach sein, aber ihr schützendes Haus konnte sie trotzdem erst verlassen, wenn die Sonne untergegangen war. Meinem Zeitgefühl nach waren anderthalb Stunden also eine ziemlich optimistische Schätzung, es sei denn, es würde sich noch bewölken.
Ich schob das Handy in meine Tasche und kehrte in die Küche zurück, wo ich den Kaffee hinunterstürzte, bevor ich unter die Dusche sprang. Was auch immer sich hinter Miras neuer Fähigkeit verbarg, es würde mit der Zeit schon herauskommen. Ein über tausendjähriges Leben hatte mich Geduld gelehrt, die erste Voraussetzung für die erfolgreiche Jagd auf Nachtwandler. Die langlebigen Kreaturen hatten gelernt, äußerst behutsam vorzugehen, wenn es nötig war, denn schließlich war die Dauer einer Nacht die einzige Grenze, die ihnen gesetzt war. Was bedeutete schon eine einzige Nacht, wenn man die Ewigkeit vor sich hatte? Die Vampirjagd hatte mich gelehrt, mich der Beharrlichkeit und Umsicht meiner Beute anzupassen.
Und doch entkam mir Mira immer wieder. Als sie noch meine Jagdbeute gewesen war, schien sie mir immer einen Schritt voraus zu sein und sich mir stets aufs Neue zu entziehen. Ihr Verhalten war sprunghaft, sie konnte von einer Sekunde auf die andere aus der Rolle der Mörderin in die der Beschützerin wechseln.
Und jetzt, da wir Verbündete waren, hatte ich Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Es fiel mir schwer, das zuzugeben, aber ich hielt sie nicht länger für die böse Kreatur, als die sie mir früher erschienen war. Selbst in ihren kältesten Momenten hielt sie noch an den Resten eines Ehrenkodex fest. Sie
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