Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
seit über hundert Jahren führte. Tatsächlich bestand das Rudel zu über drei Vierteln aus Rainers. Wenn ein Lykanthrop im Umkreis von fünfundzwanzig Meilen um Savannah auch nur einen Finger krümmen wollte, musste er dafür die Erlaubnis des Rudels einholen. Dieses Vorgehen war für sich genommen keineswegs ungewöhnlich, aber vor Ort war es ausgesprochen schwierig, sich mit seinen Anliegen auch durchzusetzen.
Die zweite Besonderheit der Stadt war die Vereinbarung über die ›Wohngebiete‹. Lykanthropen war es verboten, in einem Radius von fünfzehn Kilometern um die Innenstadt herum zu wohnen, außer sie nahmen sich eine Wohnung auf der anderen, der nördlichen Seite des Flusses. Werwölfe durften überall in Savannah arbeiten, aber nach Einbruch der Dunkelheit gehörte das Territorium den Nachtwandlern.
VampiredurftenihrerseitsnichtaufderanderenSeitedesFlussesjagen.UndbeiVollmondwaresihnenverboten,sichinsGebietderLykanthropenvorzuwagen.DieseRegelnwarenzwarstreng,bewahrtenaberalleBeteiligtenvordummenFehlern.
Das war zwar eigentlich nur Einheimischen bekannt, aber dank sorgsamer Beobachtung hatte ich mir das meiste zusammenreimen können, und James hatte es mir später bestätigt.
»Das Bella Luna auf diesem Ufer ist schon seit Jahrzehnten im Besitz von Barretts Familie. Es wäre etwas albern gewesen, ihn darum zu bitten, sich einen neuen Standort zu suchen«, sagte Mira an der nächsten roten Ampel. »Jeder weiß, wo es ist, und verhält sich dementsprechend.«
Einige Minuten später betraten wir ein kleines Gebäude mit zwei verglasten Wänden. Die Frontseite war von einem niedrigen schwarzen Eisenzaun umgeben. Die Terrasse sah so aus, als könnte sie bei gutem Wetter mehrere Tische beherbergen, doch jetzt war sie bis auf etwas trockenes Laub leer.
Ohne nachzudenken, schob ich mich vor Mira und griff nach der alten Messingklinke, damit ich ihr die rustikale Holztür aufhalten konnte. Manche Gewohnheiten sind schwer abzulegen. Als mir klar wurde, was ich getan hatte, rechnete ich schon mit einem Kichern oder einer schnippischen Bemerkung, aber Mira sagte einfach bloß: »Danke.«
Alswireintraten,saheinejungeFraumitkurzenbraunenHaarenaufundlächelteunsförmlichan.»Wieschön,Siewiederbegrüßenzudürfen,Mira.ErerwartetSieschon.IchbringeSiezuIhremTisch.«DannwandtedieFrausichmirzu.JetztlächeltenauchihreAugenmit.»IchbindanngleichbeiIhnen,Sir.«
»Er gehört zu mir«, warf Mira rasch ein.
Die junge Frau blinzelte, und als ihr Blick von mir zu Mira wanderte, verschwand das Lächeln schlagartig aus ihrem Gesicht. Es kostete sie sichtlich Mühe, zu ihrer professionellen Freundlichkeit zurückzukehren. »Selbstverständlich. Bitte, folgen Sie mir!«
Sie nahm zwei Speisekarten von ihrem Stehpult und bahnte sich geschickt den Weg zwischen den Tischen hindurch, bis wir eine verschwiegene Nische im hinteren Bereich des Restaurants erreichten. Es war kaum der beste Tisch, dafür stand er viel zu nahe an der Küche. Allerdings, so bemerkte ich, nachdem wir in der abgerundeten Nische Platz genommen hatten, konnte man von hier aus den ganzen Raum überblicken – und die Küchengeräusche würden verhindern, dass man uns belauschte.
Sobald die junge Frau uns allein gelassen hatte, stellte ein Mann in tadellosem weißem Hemd und schwarzen Kakihosen ein Glas Rotwein vor Mira hin. Dann breitete er vollkommen geräuschlos eine ganze Besteckgarnitur vor mir aus. Anscheinend hatte Barrett sein Personal zwar über Mira informiert, aber zu erwähnen vergessen, dass sie in Begleitung war.
»Was darf ich Ihnen zu trinken bringen, Sir?«, erkundigte sich der sandblonde Kellner.
»Nichts, ich … «
»Er nimmt ein Glas Eiswasser ohne Zitrone und eine Tasse Earl Grey mit Honig, wenn Sie das haben«, warf Mira rasch ein.
»Natürlich.« Der Kellner verschwand in der Küche, und ich sah Mira an. Sie hatte die schwarzen Lederhandschuhe ausgezogen und spielte nervös mit der Salatgabel. Meinem Blick wich sie aus.
»Wenn ich dabei bin, würdest du dich nie so weit entspannen, dass du mal ein Glas Wein trinkst, und du siehst mir nicht wie der Typ aus, der gerne Cola zum Essen trinkt«, sagte sie hastig und abwehrend.
Das war immerhin der Ansatz einer Erklärung, aber mich hätte trotzdem interessiert, woher sie wusste, dass ich Earl Grey mit Honig mochte. Ob James oder Ryan ihr das erzählt hatten? Allerdings schien mir das kein Gesprächsthema zu sein, das sich einfach so zufällig ergab. »Wie hast du … ?«
»Das war
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