Jägerin des Herzens
ganzer Körper schmerzte vor Anstrengung. Sie konnte nicht zulassen, dass er ihr Leben komplizierter machte, als es ohnehin schon war. Aber der Gedanke, ihn für immer zu vertreiben, machte ihr unerklärlicherweise Angst. Wenn er doch nur noch etwas sagen würde, irgendetwas, damit sie sich für das eine oder andere entscheiden könnte. Aber er half ihr nicht. Er schwieg einfach. Sie versuchte, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Wenn er nur nicht so eigensinnig wäre. Wenn er doch nur leichter zu handhaben wäre.
Am Ende zerstörte er noch die winzige Chance, die sie hatte, ihre Tochter zurückzubekommen.
Ihr Herz schlug heftig, und sie konnte kaum sprechen. »Würdest du …« Sie leckte sich über die Lippen und zwang sich weiterzureden. »Würdest du wirklich weggehen, wenn ich dich darum bäte? Einfach so?«
Alex senkte seine dichten Wimpern, als er beobachtete, wie ihre Zungenspitze über ihre Unterlippe fuhr. »Nein«, sagte er gepresst »ich wollte nur sehen, du es sagen würdest.«
»O Gott.« Sie lachte ängstlich und erstaunt auf. »Ich glaube, ich kann es nicht.«
»Warum nicht?«
Lily begann zu zittern. Sie hatte ihre Niederlagen und Schwierigkeiten immer mit Mut und Stärke getragen, und niemand, noch nicht einmal Giuseppe, hatte gewusst was wirklich in ihr vorging. Das konnte nur Alex. »Ich weiß nicht«, schluchzte sie und schmiegte sich an ihn, »ich weiß es nicht.«
»Liebling.« Er bedeckte ihr Gesicht mit kleinen Küssen und zog sie fest an sich.
»Ich würde lieber deine Maitresse sein«, sagte sie kläglich.
»Alles oder nichts. So ist es eben bei uns beiden.« Er strich ihr die Haare aus der Stirn und grinste sie schief an.
»Außerdem muss ich dich schon heiraten, wenn ich Burton als Butler haben will.« Er küsste sie. »Sag ja.« Er fuhr mit den Fingern durch ihre Haare. »Sag es, Liebes.«
Lily versuchte, sich einzureden, dass sie es wegen des Geldes tat. Sie hatte Angst davor, sich einzugestehen, dass es einen anderen, viel zwingenderen Grund dafür gab, Alex’ Antrag anzunehmen. Als seine Frau würde sie unermesslich reich sein. Sie würde genug Geld haben, um Nicole zurückzukaufen, und wenn Giuseppe immer noch nicht einverstanden war, würde sie fähige Detektive engagieren. Derjenige, den sie bisher beauftragt hatte, Mr. Knox, war nicht besonders nützlich gewesen, aber jetzt konnte sie, wenn sie wollte, ein Dutzend Männer einstellen.
Sie konnten die Stadt so lange auf den Kopf stellen, bis sie ihre Tochter gefunden hatten. Und was dann passierte, war auch egal. Wenn Alex erst einmal erfuhr, dass sie Mutter einer unehelichen Tochter war – die sie auch bei sich haben wollte –, würde er rasch in eine Annullierung der Ehe oder eine Scheidung einwilligen, und sie würde mit ihrer Tochter an einen ruhigen, friedlichen Ort ziehen. Alex würde zwar zu Recht wütend sein über ihre Täuschung, aber er würde ein hübsches, junges Mädchen finden, das ihm ein Dutzend Erben gebären konnte.
In der Zwischenzeit beabsichtigte Lily, die Zeit mit ihm zu genießen. Es würde noch mehr Nächte in dem Zimmer mit dem Himmel und den Wolken an der Decke geben. Und sie könnte mit ihm reden, ihn necken und ihn provozieren. Sie hatte noch nie eine solche Beziehung mit einem Mann gehabt. Am Nächsten war dem vielleicht ihre seltsame, leidenschaftslose Freundschaft mit – Derek Craven gekommen. Aber im Gegensatz zu Derek war Alex viel besitzergreifender und beschützender, und er war in viel stärkerem Maße bereit sich mit ihren Sorgen zu befassen. Lily dachte, dass sie vielleicht insgeheim das Gefühl genießen sollte, zu jemandem zu gehören. Für eine kurze Zeit in ihrem Leben würde sie wissen, was es bedeutete, einen Mann ›Ehemann‹ zu nennen.
Alex erklärte, sie würden noch am selben Nachmittag heiraten. Lily wusste, dass seine Eile auf den Verdacht zurückzuführen war, sie könnte vielleicht ihre Meinung plötzlich ändern. Und das war nicht unbegründet. Sie änderte ihre Meinung alle zehn Minuten. Alex schickte nach ihrer Zofe Annie, damit sie die notwendigen Kleidungsstücke und Toilettenartikel nach Swan’ s Court brachte.
Während Lily ein hellgelbes Baumwollkleid mit unterteilten Puffärmeln anzog, nörgelte sie herum. Der züchtig hohe Ausschnitt war mit Spitze gesäumt. »In diesem Kleid sehe ich wie ein Landmädchen aus«, murmelte sie und betrachtete sich im Spiegel, während Annie die Seidenschleifen im Rücken zuband. »Und als ob ich fünfzehn
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