Jägerin des Herzens
»Ich glaube, er ist der irrigen Annahme verfallen, ich könne geändert werden.« Sie verdrehte die Augen. »Der Himmel weiß, wie er darauf kommt.«
Lady Lyon blickte sie mit neu erwachtem Interesse an. »Hmm. Nun beginne ich zu verstehen, warum Ihr ihn so anzieht. Ihr seid ein kluges Mädchen. Und ich bezweifle nicht dass Ihr auch eine rasche Auffassungsgabe habt.
Aber dennoch …«
»Danke«, erwiderte Lily demütig und unterbrach sie, bevor eine neue Gardinenpredigt ihren Anfang nahm. »Lady Lyon, ich schätze es sehr, dass Ihr bereit seid, Euren Einfluss für uns geltend zu machen. Aber dass wir wieder in achtbare Kreise aufgenommen werden …« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Das wird nicht geschehen.«
»Ach ja«, erwiderte die alte Dame frostig. »Dann lasst mich Euch sagen, Ihr naseweises Fräulein, dass es geschehen kann und wird. Vorausgesetzt es gelingt Euch, Euch von weiteren skandalösen Auftritten fern zu halten.«
»Das wird sie«, sagte Alex hastig. »Und ich auch, Tante Mildred.«
»Nun gut.« Lady Lyon wies ein Hausmädchen an, ihr das Schreibzeug zu bringen. »Ich werde jetzt mit meinem Feldzug beginnen«, sagte sie in einem Tonfall, der sicher mit dem Wellingtons bei Waterloo zu vergleichen war.
»Und ihr werdet natürlich meine Anweisungen Wort für Wort befolgen.«
Alex trat zu seiner Tante und küsste sie auf die faltige Stirn. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann, Tante Mildred.«
»Quatsch«, erwiderte sie grob und winkte Lily, näher zu treten. »Ihr dürft mir einen Kuss geben, mein Kind.«
Gehorsam drückte Lily ihre Lippen auf die Wange der alten Dame.
»Jetzt da ich Euch gesehen habe«, fuhr Lady Lyon fort, »bin ich sicher, dass keines,der Gerüchte über Euch wahr sein kann. Ein ausschweifendes Leben zeigt sich immer im Gesicht und Ihr seht weit weniger verlebt aus, als ich erwartet habe.« Sie kniff ihre blauen Augen zusammen. »Ich denke, mit der richtigen Kleidung könntet Ihr durchaus als eine Frau von gutem Charakter durchgehen.«
Lily knickste. »Danke«, sagte sie mit einer Unterwürfigkeit die schon wieder komisch wirkte.
»Wir haben ein Problem mit den Augen«, sagte Lady Lyon missbilligend. »Dunkel, heißblütig, voller Mutwillen.
Vielleicht findet Ihr ja einen Weg, um ihren Ausdruck zu mildern.«
Alex griff protestierend ein und legte Lily den Arm um die Taille. »Hör auf, von ihren Augen zu reden, Tante. Sie sind das Beste an ihr.« Er blickte liebevoll auf seine Frau. »Ich bin ganz verrückt nach ihnen.«
Lilys schweigende Erheiterung schwand, als sein Blick sie festhielt. Wärme stieg in ihr auf, und ihr Herz begann heftig zu schlagen. Auf einmal schien sie sich nur noch auf den Beinen halten zu können, weil sein Arm sie umfing. Da Lily sich bewusst war, dass Lady Lyons interessierter Blick auf ihr ruhte, versuchte sie wegzusehen, aber sie konnte nur hilflos darauf warten, dass er sie wieder losließ. Schließlich drückte er sie noch einmal kurz an sich und ließ seinen Arm sinken.
Lady Lyons Stimme war weniger scharf als zuvor, als sie sagte: »Lass uns einen Moment allein, Alexander.«
Er runzelte die Stirn. »Tante, es tut mir Leid, aber wir haben keine Zeit mehr, um noch länger zu plaudern.«
»Mach dir keine. Sorgen«, erwiderte Lady Lyon trocken. »Der alte Drache wird deine junge Braut schon nicht in Stücke reißen. Ich will ihr nur ein paar Ratschläge erteilen. Kommt her, mein Kind.« Sie klopfte auf den Platz neben sich. Ohne ihren Mann anzusehen, setzte Lily sich neben sie aufs Sofa.
Alex warf seiner Tante einen warnenden Blick zu und verließ das Zimmer.
Lady Lyon schien sich über die finstere Miene ihres Neffen zu amüsieren. »Natürlich kann er es nicht dulden, wenn Ihr kritisiert werdet«, bemerkte sie kichernd.
»Es sei denn, er tut es selbst.« Lily war erstaunt darüber, wie zugänglich die grande dame auf einmal wirkte.
Darüber musste Lady Lyon erneut lachen. »Mein Lieblingsneffe, wisst Ihr. Der beste Mann, den die Familie jemals hervorgebracht hat. Viel lobenswerter als mein eigener charmanter, verwöhnter, nichtsnutziger Sohn Ross. Ihr wisst gar nicht was Ihr für ein Glück gehabt habt Alexander zu bekommen. Wie Ihr das angestellt habt ist mir allerdings ein Rätsel.«
»Mir auch«, bekannte Lily freimütig.
»Na egal. Ihr habt eine ziemliche Veränderung bei ihm bewirkt.« Lady Lyon schwieg nachdenklich. »Ich glaube, ich habe ihn seit seiner Kindheit bevor seine Eltern starben, nicht
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