Jägerin des Herzens
mehr so fröhlich gesehen.«
Unendlich erfreut schlug Lily die Augen nieder, damit die alte Frau ihr nicht ansah, was ihre Worte bei ihr auslösten. »Aber als er und Caroline Whitmore miteinander verlobt waren, hat er doch sicher …«
»Ich kann Euch etwas über diese amerikanische Frau erzählen«, unterbrach die alte Dame sie ungeduldig. »Sie war ein schönes, sorgloses Geschöpf, romantisch und ein bisschen verrückt. Sie wäre Alexander bestimmt eine gute Frau geworden. Aber Miss Whitmore verstand die Tiefe seines Wesens nicht und sie hatte auch kein Interesse daran.« Ihre blauen Augen wurden weich und nachdenklich, fast traurig. »Sie hätte die Art von Liebe, die er geben kann, niemals verstanden. Die Raiford-Männer sind in dieser Hinsicht einzigartig.« Sie schwieg, dann fügte sie hinzu: »Sie gestatten ihren Frauen schrecklich viel Macht über sich. Ihre Liebe neigt zu Besessenheit. Mein Bruder Charles – Alexanders Vater – wollte sterben, nachdem seine Frau von ihm gegangen war. Der Gedanke an ein Leben ohne sie war ihm unerträglich. Wusstet Ihr das?«
»Nein, Ma’ am«, erwiderte Lily verblüfft.
»Alexander ist genauso. Wenn er die Frau, die er liebt durch Tod oder Betrug verlieren würde, hätte das die gleiche Wirkung auf ihn.«
Lilys Augen weiteten sich. »Lady Lyon, ich glaube, Ihr übertreibt. Seine Gefühle für mich sind nicht übermäßig groß. Das heißt, er …«
»Ihr habt doch nicht so einen scharfen Verstand, wie ich angenommen hatte, mein Kind, wenn Ihr noch nicht gemerkt habt dass er Euch liebt.«
Lily schwieg und blickte sie erstaunt an.
»Heutzutage sind die jungen Leute. viel dickköpfiger als zu meiner Zeit«, bemerkte Lady Lyon spitz. »Schließt Euren Mund, mein Kind, sonst kommen am Ende noch Fliegen herein.«
Lady Lyons spöttischer Tonfall erinnerte Lily an Tante Sally, obwohl Sally sicher viel unkultivierter als diese elegante Matrone gewesen war. »Ma’ am, Ihr sagtet Ihr hättet einen Rat für mich?«
»O ja.« Lady Lyon blickte Lily vielsagend an. »Ich habe alles über Euch und Euer wildes Leben gehört. Eigentlich erinnert Ihr mich an meine eigene Jugend. Ich war ein hübsches, intelligentes Mädchen mit einer ganz guten Figur.
Vor meiner Ehe habe ich zahlreiche Herzen gebrochen, worauf meine Mutter äußerst stolz war. Ich habe lange nicht das Bedürfnis verspürt einen Mann als Herrn und Meister anzuerkennen, schließlich lagen mir alle Männer in London zu Füßen. Blumen, Gedichte, verstohlene Küsse …« Sie lächelte in Erinnerungen versunken. »Es war herrlich. Natürlich war es für mich eine traurige Aussicht all das wegen einer Heirat aufgeben zu müssen. Aber wisst Ihr, was ich entdeckte, als ich Lord Lyon heiratete – die Liebe eines guten Mannes ist ein paar Opfer wert.«
Lily hatte seit Sallys Tod nicht mehr so aufrichtig mit einer Frau geredet. Sie wagte es, ein wenig von sich preiszugeben, beugte sich vor und sagte ernsthaft: »Lady Lyon, ich hatte nie den Wunsch, überhaupt jemals zu heiraten. Ich bin zu lange unabhängig gewesen. Alex und ich werden einander ständig an die Kehle gehen, wir sind beide viel zu eigensinnig. Es ist eine klassische Mesalliance.«
Lady Lyon schien ihre Angst zu verstehen. »Überlegt es Euch … Alexander will Euch so sehr, dass er sich sogar von Seinesgleichen lächerlich machen lässt. Für einen so stolzen Mann ist das ein beachtliches Zugeständnis. Es gibt Schlimmeres, als einen Mann zu heiraten, der sich für Euch zum Narren machen lässt.« Lily runzelte besorgt die Stirn. »Er wird nicht für einen Dummkopf gehalten werden«, sagte sie nachdrücklich. »Ich würde nie etwas tun, das ihn in Verlegenheit bringt.« Auf einmal fiel ihr das Schauspiel in Covent Garden wieder ein und die Tatsache, dass sie einen alten Zirkusbären gekauft hatte, und sie errötete. Sie hatte nach ihrer Hochzeit noch nicht einmal einen Tag verstreichen lassen, und schon wieder hatte sie sich skandalös benommen. »Verdammt«, flüsterte sie.
Überraschenderweise lächelte die alte Frau. »Das wird natürlich nicht leicht für Euch sein. Ihr hab einen schweren Kampf vor Euch, aber er wird es wert sein. Ich glaube, ich spreche für viele Leute, wenn ich sage, dass es interessant werden wird, Euch zuzuschauen.«
Lady Lyon arrangierte für die beiden einige private Soireen, auf denen ihre Heirat auf ruhige und schickliche Weise verkündet wurde. Der Skandal war jedoch nicht zu vermeiden, da die Einzelheiten ihrer
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