Jägerin des Herzens
Lauf ließ. »Ich verstehe jetzt«, fuhr er rau fort wobei ihm selbst die Tränen in die Augen traten. »Ich verstehe alles.« Er hätte bereitwillig sein Leben gegeben, um ihr ein solches Leid zu ersparen. Er küsste ihre Haare, ihr nasses Gesicht die Hände, die sich an seine Schultern klammerten. Am liebsten hätte er ihr den Schmerz abgenommen. Schließlich ließen ihre Tränen nach, und sie erschlaffte in seinen Armen. »Wir finden heraus, was mit ihr geschehen ist«, sagte er zuversichtlich. »Wir bekommen sie wieder, ganz gleich, was es kostet. Ich schwöre es!«
»Du musst mich doch hassen«, sagte sie gebrochen. »Du musst mich verlassen …«
»Schscht!« Er drückte sie fest an sich. »Denkst du so gering von mir? Verdammt!« Er streifte ihr Haar mit den Lippen. »Du kennst mich nicht. Hast du geglaubt, ich würde dir nicht helfen wollen? Ich würde dich verlassen, wenn ich es erführe?«
»Ja«, flüsterte sie.
»Verdammt!«, wiederholte er, und seine Stimme klang erstickt vor Liebe und Zorn. Er hob ihr Kinn an. Die Hoffnungslosigkeit in ihren Augen legte sich wie ein eisiger Ring um sein Herz.
Alex wies einen Diener an, ihnen zu zeigen, wie sie das Haus diskret verlassen konnten, ohne von den anderen Gästen bemerkt zu werden. Er bat den Diener auch, Lady Lyon zu benachrichtigen, dass Lily Kopfschmerzen habe und den Ball verfrüht verlassen musste. Dann ließ er Lily kurz allein und machte einen raschen Rundgang durch das Haus, aber Giuseppe war klugerweise gegangen.
Lily war so erschöpft, dass sie sich auf Alex stützen mussten, als sie gingen. Er nahm sie auf die Arme und trug sie zu ihrer geschlossenen Kutsche, ohne sich die Mühe zu machen, dem überraschten Lakaien Erklärungen abzugeben. Als sie in der Kutsche saßen, zog er sie an sich, aber sie wehrte ihn sanft ab und erklärte ihm, es ginge ihr gut. In schnellem Tempo fuhren sie nach Hause, wobei Alex mit überwältigenden Gedanken und Gefühlen kämpfte.
Zu wissen, was Lily durchgemacht hatte, brachte ihn an den Rand des Wahnsinns. Sie hatte es alleine ertragen wollen, hatte sich zurückgezogen, eine Mauer um ihr Geheimnis aufgebaut und bewusst die Einsamkeit gesucht …
Er konnte ihr die verlorenen Jahre nicht zurückgeben. Er wusste noch nicht einmal mit Sicherheit ob er ihr Nicole zurückbringen konnte, obwohl er Himmel und Erde in Bewegung setzen würde. Wut loderte in ihm auf. Er war wütend auf sie, auf Derek, auf diesen verdammten, nutzlosen Detektiv, auf den italienischen Bastard, der dieses Elend verursacht hatte, und er war wütend auf sich selbst.
Und er hatte schreckliche Angst. Lily hatte so lange gehofft … wenn die Quelle ihrer Hoffnung ihr genommen wurde, wenn sie Nicole nicht zurückbekam, dann würde sie nie wieder dieselbe sein. Das strahlende Lachen und die Leidenschaft, die er so liebte, wären dann für immer dahin. Er kannte Menschen, die verloren hatten, was sie am meisten geliebt hatten, und er hatte gesehen, wie es sie verändert hatte. Sein eigener Vater war nur noch die leere Hülle eines Mannes gewesen, der sich nach dem Tod gesehnt hatte, weil das Leben ihm nichts mehr zu bieten hatte. Alex hätte Lily am liebsten angefleht stark zu sein, aber er sah, dass sie keine Kraft mehr besaß. Ihr Gesicht war müde und erschöpft, und ihre Augen blickten stumpf.
Sie kamen in Swan’ s Court an, und Alex brachte Lily zur Haustür. Burton empfing sie besorgt und blickte Lily fragend an. Dann sah er Alex an. »Ihr kommt früh zurück, Mylord«, bemerkte er.
Alex hatte keine Zeit für Erklärungen. Er drängte seine Frau ins Haus. »Gib ihr ein Glas Brandy«, wies er Burton an. »Zwing es ihr herunter, wenn es nötig sein sollte. Lass sie nirgendwo hingehen. Sag Mrs. Hodges, sie soll ihr ein Bad einlassen. Und bis ich zurückkomme, darf sie keine Minute allein sein. Keine Minute, hast du verstanden?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mylord.«
Alex warf dem Butler einen Blick zu und entspannte sich ein wenig. Es rührte ihn, dass Burton auf seine ruhige Art in den vergangenen zwei Jahren sein Möglichstes getan hatte, um Lilys Alptraum erträglich zu machen.
»Du meine Güte, behandelt mich nicht wie eine Kranke«, sagte Lily matt und trat ins Haus. »Mach mir einen doppelten Brandy, Burton.« Sie schwieg und blickte ihren Mann an. »Wo, zum Teufel, gehst du denn hin?«
Alex fühlte sich ein wenig besser, als ihre alte Lebhaftigkeit aufflackerte. »Das sage ich dir, wenn ich wiederkomme. Ich bin bald
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