Jägerin des Herzens
er so still dastand, und wandte sich halb ab, die Arme um sich geschlungen. Gequält holte sie tief Luft. »Sein Name ist Giuseppe Gavazzi. Ich habe ihn in Italien kennen gelernt. Wir waren ein Liebespaar. Nicht heute … vor fünf Jahren. Er ist derjenige, von dem ich dir erzählt habe.« Sie biss sich auf die Lippe, bis Blut kam. »Es muss dich anwidern, diesen niederträchtigen Mann zu sehen und zu wissen, dass er und ich …« Sie schluchzte laut auf. »Mich widert es jedenfalls an. Die Erfahrung war so entsetzlich, dass wir beide nichts mehr miteinander zu tun haben wollten. Ich dachte, ich sei ihn für immer los. Aber … das stimmte nicht ganz. Mein Leben änderte sich nach jener Nacht für immer, weil ich feststellte … Ich fand heraus …« Ungeduldig schüttelte sie den Kopf über ihr feiges Gestammel und zwang sich fortzufahren. »Ich war schwanger.« Alex gab keinen Laut von sich. Sie hatte zu viel Angst und schämte sich zu sehr, um ihn anzusehen. »Ich bekam ein Kind. Eine Tochter.«
»Nicole.« Seine Stimme klang gepresst und kalt.
»Woher weißt du das?«, fragte sie erstaunt.
»Du hast im Schlaf gesprochen.«
»Natürlich.« Sie lächelte, während ihr die Tränen übers Gesicht rannen. »Ich scheine recht aktiv zu sein im Schlaf.«
»Sprich weiter.«
Lily wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab und bemühte sich, ruhig zu klingen. »Zwei Jahre lang lebte ich mit Nicole und Tante Sally in Italien. Ich hielt mein Kind vor allen geheim, außer vor Giuseppe. Ich dachte, er hätte ein Recht, es zu wissen, und er sei vielleicht an seiner Tochter interessiert. Aber das war er natürlich keineswegs. Er besuchte uns nie. Tante Sally starb in dieser Zeit und mir blieb nur noch Nicole. Dann kam ich eines Tages vom Markt zurück und …« Ihre Stimme schwankte. »Sie war weg. Giuseppe hatte sie entführt. Ich wusste, dass er es gewesen war, weil er mir später das Kleid brachte, das sie an jenem Tag getragen hatte. Er hielt mein Kind versteckt und weigerte sich, es mir zurückzugeben. Er wollte Geld. Es war nie genug … Er ließ mich nicht zu ihr und verlangte immer mehr. Die Polizei konnte sie nicht finden. Giuseppe war auch in andere kriminelle Geschäfte verwickelt und musste Italien verlassen, um der Verhaftung zu entgehen. Er sagte mir, er brächte meine Tochter nach London, und ich folgte ihm hierher. Ich engagierte einen Detektiv, damit er nach Nicole suchte. Aber er fand lediglich heraus, dass Giuseppe mittlerweile zu einer verbrecherischen Organisation gehörte, die sich in vielen Ländern niedergelassen hat.«
»Derek Craven weiß davon«, sagte Alex tonlos.
»Ja. Er versuchte, mir zu helfen, aber es ist unmöglich. Giuseppe hat alle Trümpfe in der Hand.« Sie rang um Fassung. »Ich habe alles versucht. Ich habe alles getan, was er verlangte, aber er hört nicht auf. jede Nacht frage ich mich, ob Nicole krank ist ob sie weint, ob sie mich braucht, und ich bin nicht da. Ich frage mich, ob sie mich vergessen hat.« Die Qual schnürte ihr den Hals zu, und sie brachte nur noch ein Flüstern hervor. »Er hat mir Nicole vor ein paar Tagen gezeigt … Ich bin sicher, dass sie es war … aber ich durfte sie nicht berühren oder mit ihr sprechen … Ich glaube nicht, dass sie mich erkannt hat.« Ihre Stimme erstarb. Lily hatte das Gefühl, sie würde bei der kleinsten Erschütterung zerbrechen. Sie musste allein sein … noch nie in ihrem Leben war sie so hilflos gewesen. Als es ihr jedoch gelang, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und wegzugehen, spürte sie auf einmal seine Hände an ihren Armen. Plötzlich begann sie haltlos zu zittern und zu schluchzen. Rasch zog er sie an seine breite Brust und hielt sie fest während sie heftig schluchzend in seinen Armen zusammenbrach.
Ihre heißen Tränen benetzten sein Hemd. Lily klammerte sich an ihn und kroch förmlich in seine Arme, dem einzigen sicheren Hafen auf der Welt. Sie wand sich, um sich noch enger an ihn zu drücken, aber langsam begriff sie, dass sie gar nicht kämpfen musste. Er ließ sie nicht los. Eine Hand umfasste ihren Hinterkopf und drückte ihn an seine Schulter. »Es ist schon gut Liebling«, flüsterte er und strich über ihre dunklen Locken. »Ist schon gut. Du bist nicht mehr allein.«
Sie versuchte, die gequälten Laute, die aus ihrer Kehle drangen, zu unterdrücken, aber das krampfhafte Schluchzen ließ nicht nach. »Ruhig«, murmelte er und streichelte ihren zitternden Körper, während sie ihrem Kummer freien
Weitere Kostenlose Bücher