Jägerin des Herzens
wollte, sie wusste nur, dass sie ihm nicht zuhören wollte. Es wäre eine Katastrophe. »Das ist nicht passiert. Nichts ist passiert. Ich … ich … gute Nacht.« Panisch floh sie aus dem Zimmer.
Alex schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen, und setzte sich in den Sessel. Er öffnete seine geballten Fäuste und starrte auf seine Handflächen.
Caroline, was habe ich getan?
Du armer Narr, konnte er beinahe Carolines lachende Stimme hören. Du hast gedacht, du könntest mich für immer fest halten. Du wolltest eine süße Unschuld wie Penelope heiraten, damit du mich nie mehr loslassen müsstest. Als ob Erinnerungen dir für alle Zeit ausreichen würden.
»Erinnerungen sind auch genug«, sagte er eigensinnig.
Warum hast du dich immer über menschliche Schwächen erhaben gefühlt? Über Kummer und Einsamkeit? Du glaubst, du brauchst weniger als andere Männer, und dabei brauchst du viel, viel mehr …
»Hör auf«, stöhnte er und rang die Hände, aber Carolines spöttische Schattenstimme fuhr fort.
Du warst so lange alleine, Alex. Es ist Zeit, das zu ändern …
»Ich ändere es doch«, sagte er gepresst. »Ich mache einen neuen Anfang mit Penelope. Gott helfe mir, ich werde lernen, sie zu lieben, ich …«
Ganz plötzlich brach Alex ab, weil er merkte, dass er wie ein Narr mit sich selber redete und ein imaginäres Gespräch mit einem Geist führte. Er hob den Kopf und starrte in den leeren Kamin. Er musste Lily loswerden, und sei es auch nur, um bei Verstand zu bleiben.
Lily kletterte in ihr Bett und zog sich die Decke bis ans Kinn. Sie konnte nicht aufhören zu zittern.
Wie konnte sie Alex nach diesem Vorfall wieder gegenübertreten? In ihrem Zimmer war es dunkel, aber sie spürte, dass sie tiefrot wurde. Wie hatte er ihr das antun können? Was war nur mit ihr los? Sie drückte ihr heißes Gesicht in die Kissen und dachte daran, wie er sie im Arm gehalten und geküsst hatte.
Er hatte Carolines Namen geflüstert.
Gedemütigt und verletzt wälzte sich Lily stöhnend hin und her. Sie musste die Dinge zwischen Zachary und Penelope regeln und Raiford Park so schnell wie möglich verlassen.
Sie kam mit Alex nicht so zurecht wie mit anderen Männern, die sie mit ihrem Spott, ihrem Temperament und ihrem Charme um den Finger wickeln konnte. Er war nicht empfänglich dafür, genauso wenig wie Derek.
Langsam begann sie zu verstehen, was Alex Raiford hinter seiner gleichmütigen Fassade verbarg. Offensichtlich hatte er sich nie mit Carolines Tod abgefunden. Und er würde auch nie darüber hinwegkommen. Er hatte Caroline seine ganze Liebe geschenkt – und sie hatte sie mit ins Grab genommen. Für den Rest seines Lebens würde Alex davon verfolgt werden. Er würde jeder Frau übel nehmen, dass sie nicht Caroline war. Ein unschuldiges Mädchen wie Penelope würde ihr Leben damit zubringen, ihm gefallen zu wollen, aber sie würde jämmerlich scheitern.
»Oh, Penny«, flüsterte sie. »Ich muss dich von ihm fortbringen. Er wird dich in den Staub treten, ohne es überhaupt zu bemerken.«
Entgegen seinen Erwartungen wurde Zachary nicht Lily gemeldet als er in Raiford Park eintraf. Stattdessen wurde er in die Bibliothek geführt wo ihn der Earl von Wolverton erwartete. »Raiford?«, fragte Zachary, entsetzt Über die Erscheinung des Grafen.
Alex hing mit gespreizten Beinen in einem Sessel. Eine halb leere Schnapsflasche stand auf seinem Knie. Der goldene Schimmer seiner Haut war stumpf. Dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, und harte, bittere Falten hatten sich in sein Gesicht gegraben. Es stank nach Whiskey und Tabak. Dem dichten Qualm im Zimmer nach zu urteilen, hatte er offensichtlich schon seit einiger Zeit stark geraucht. In der Hand hielt er nachlässig eine Zigarre. Zachary bezweifelte, dass viele Leute Alex Raiford jemals in einer solchen Verfassung gesehen hatten. Etwas Schreckliches musste ihm zugestoßen sein.
»Stimmt etwas nicht?«
»Keineswegs«, erwiderte Alex barsch. »Warum fragt Ihr?«
Hastig schüttelte Zachary den Kopf und räusperte sich. »Ähm, nur so. Ich dachte vielleicht … ähm … Ihr seht ein wenig erschöpft aus.«
»Mir geht es gut. Wie immer.«
»Ja, natürlich. Ähm. Ich wollte Lily besuchen, also sollte ich vielleicht …«
»Setzt Euch.« Trunken wies Alex auf einen Ledersessel.
Zachary gehorchte nervös. Die Morgensonne schien durch das Fenster und fiel auf seine aschblonden Haare.
»Trinkt etwas«, sagte Alex und blies einen Rauchkringel
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