Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
zufrieden. Sie brummte noch etwas und legte sich dann gemütlich auf seiner Brust zurecht.
»Erstaunlich – menschenscheu bist du nicht. Und dass ich dich eingefangen habe, trägst du mir wohl auch nicht mehr nach.«
Wenn ich jetzt deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen darf.
Ihr leises Grummeln schien Nathan zumindest sinngemäß übersetzen zu können.
»Es scheint, als gefällt dir mein Revier. Na gut, dann bleib hier. Wenn im Tierheim jemand nach dir fragt, können sie die Leute ja an mich verweisen.«
Er verweilte mit ihr auf seiner Brust, bis die Dämmerung zur Dunkelheit wurde, dann setzte er sie auf den Boden und lud sie ein, ihm ins Innere des Hauses zu folgen.
Majestät nahm die Einladung an und sah sich neugierig um. Menschenbehausungen waren ihr nicht ganz fremd, sie beurteilte sie aber weniger nach innenarchitektonischen Gesichtspunkten, sondern mehr nach Fluchtmöglichkeiten und Verstecken. Außerdem nach Gerüchen. Es war eine fremde Welt, in der es sich zu orientieren galt. Nachdem sie das ausgiebig getan hatte, stromerte sie in die Küche, wo Nathan herumwerkelte, und sprang auf das Fensterbrett, um den Überblick zu behalten.
»Du siehst sehr königlich aus, Majestätchen, so wie du da sitzt.«
Bitte? Majestätchen? Wollte er ihre Gunst verspielen?
»Möchtest du das hier probieren?«
Wollte er wohl nicht. Das Zeugs roch köstlich.
Majestät leckte einen Happen Leberwurst von Nathans Finger. Und sich dann genießerisch die Lippen.
»Gut, heute Leberwurst, aber ab morgen Katzenfutter.«
Egal, Hauptsache heute Leberwurst. Und eine Schüssel Sahne.
Die war gut.
Also dann eben Majestätchen für ihn. Hörte ja sonst keiner.
Sie sprang von ihrem Sitz und gab ihm zu verstehen, dass sie den Außenbereich noch einmal erkunden wollte, und er öffnete ihr gehorsam die Tür. Die ersten Nachtstunden liebte Majestät. Es wurde dann so ruhig in dieser Welt, und es erinnerte sie mehr an ihre Heimat.
Sie strich durch den Garten, markierte hier und da ihr neues Revier, wandte sich zu den Ställen, ging dem Pferd um die Beine, dann schlenderte sie wieder zurück.
Es war an der Zeit, die Neuigkeiten zu überdenken.
Auf ihr herrisches Maunzen hin öffnete Nathan. Er schien aber zu Bett gehen zu wollen, denn bis auf das bisschen Stoff um seine Mitte war er ohne Kleider. Majestät musterte ihn neugierig und stellte ihn sich als Kater vor. Nicht schlecht, das Bild. Sehnig, ausdauernd, graubraun wie eine Waldkatze. Möglicherweise gefährlich, aber nicht auf gewöhnliche Weise.
»Genug gesehen, Majestätchen?«
»Mirrr.«
»Gut, ich gehe jetzt schlafen. Du kannst im Haus bleiben. Aber erwarte nicht, dass ich mitten in der Nacht aufstehe und Fenster oder Türen für dich aufmache.«
Nicht?
Majestät drehte ihm ihr Hinterteil zu.
Menschen waren üblicherweise leicht zu erziehen. Und sie verfügte über zusätzliche – Gaben. Man würde also sehen.
Zunächst aber ließ sie ihn wirklich zu Bett gehen, und als sie sicher war, dass er schlief, sprang sie ebenfalls in die Kissen und rollte sich neben ihm zusammen. Nicht um zu schlafen, sondern um nachzudenken.
Über Menschen.
Auch wenn es Fraktionen in ihrem Volk gab, die mit der Menschheit so wenig wie möglich zu tun haben wollten, waren sie in ihren Augen ein lohnenswertes Forschungsgebiet. Einst, vor vielen tausend Jahren, waren ihre Welten eins gewesen. Dann aber hatte eine Gruppe weiser Katzen beschlossen, für sich einen Teil abzuspalten und einen eigenen Weg der Entwicklung zu nehmen. Anfangs waren die Übergänge noch fließend gewesen, der Wechsel jederzeit möglich. Aber je höher sich die Trefélingeborenen entwickelten, desto seltener wurden die Verbindungen, bis sie jetzt nur noch an wenigen Orten vorhanden waren. Inzwischen hatten sich die Grauen Wälder weiter und weiter ausgebreitet, und gefahrlos durchqueren konnte man sie nur noch mit den Ohrringen, die das Volk von Trefélin hütete. Oder eben mit dem Ankh der Königin.
Menschen war es so gut wie gar nicht möglich, nach Trefélin zu gelangen.
Es sei denn, ganz bestimmte Umstände führten dazu.
Und das war es, was Majestät an Nathan stutzig gemacht hatte.
Es gab Menschen, die ihr Land besucht hatten. Gesa war einer von ihnen. Gesa, die zu jenen bemerkenswerten Personen gehörte, die sie, Bastet Merit, einst gerettet hatte.
Es war in jenen schrecklichen Jahren gewesen, als die Menschen sich gegenseitig massenhaft umbrachten, ihre Städte in Trümmer legten, ihre
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