Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
kriegen wir schon geregelt, Finn. Überlass das nur uns. Wir müssen ja auch Nefer wieder zurückholen. Und der wird einiges zu erklären haben. Denn was Sem, Ani und Pepi getan haben, wäre ja sogar noch zu verzeihen gewesen, aber dass er dir seinen Ring gegeben hat, setzte allem die Krone auf.«
»Ring?«
»Ohrring. Wandelring.«
Der Schmerz am Ohr. Finn tastete mit der Pfote nach dem Ohr.
»Hat Anoki dir auch abgenommen. Der steht dir nicht zu.«
»Aber der hat mich verwandelt, richtig?«
»So ungefähr.«
»Ja, aber … Was soll ich denn jetzt machen?«
Finn bemerkte selbst den weinerlichen Ton in seiner Stimme, konnte ihn aber nicht verhindern. Shepsi lächelte ihn wohlwollend an.
»Jetzt lernst du erst einmal jagen. Sonst verhungerst du nämlich.«
Damit stand er auf und entfernte sich mit großen Sprüngen.
»Jagen. Ich?«, flüsterte Finn. »Mensch!«
22. Majestät im Forsthaus
Majestät hatte sich einigermaßen schnell wieder erholt und die Mäusepopulation am Dolmen dezimiert. Danach hatte sie gegrübelt.
Sie hatte ihre Freiheit wieder, was ein unschätzbarer Vorteil war. Scaramouche hatte ihre Botschaft mitgenommen, was eine selten großmütige Tat war. Die Seelen der Katzengeborenen wanderten zu den Goldenen Steppen, das Land, in dem ihre Wunden heilten, in dem sie ausruhten und sich, wenn sie wollten, auf ihr nächstes Leben vorbereiteten. Aber auch die Trefélingeborenen hatten Zugang zu diesen Gefilden, jedoch zu ihren Lebzeiten. Trefélingeborene besaßen nur ein Leben, wenn auch ein sehr langes. Scaramouche würde, wenn er den Hellen Bach überquert hatte, nicht dessen Nass trinken. Er würde nicht vergessen, sondern sich erinnern. Einmal, weil er zu dem kleinen Jungen Tommi wieder zurückkehren, zum andern, weil er die Nachricht überbringen wollte, dass Bastet Merit hier am Dolmen auf den nächsten Silbermond wartete. Und dann gab es noch ein paar weitere Gründe, die nur er kannte.
Majestät hoffte, dass jene, die hier am Dolmen auf sie gewartet hatten, wenigstens das Ankh gefunden und zurück nach Trefélin gebracht hatten. Mehr als hoffen aber konnte sie nicht. Was sie jetzt brauchte, war eine sichere Unterkunft. Der Müll, der sich rund um das Hügelgrab angesammelt hatte, lud nicht gerade zum Verweilen ein. Die Idioten, die sie letzthin geschnappt hatten, konnten jederzeit wiederkommen. Außerdem respektierte Majestät auch Silvester, den Waldkater. Für ein paar Tage mochte er sie in seinem Revier dulden, aber bis zum nächsten Silbermond – das wollte sie ihm nicht zumuten.
Aber da war noch der Mann, der Förster, der sich Nathan nannte, und der so einen bestimmten Blick hatte. Er würde zumindest eine interessante Abwechslung zu den langweiligen Mäusen in dieser Welt bieten. Und noch einmal würde sie sich nicht von ihm einfangen lassen. Da war sie nun gewarnt.
Majestät machte sich auf den Weg zum Forsthaus. Es war ein schöner Tag, der in einen noch schöneren Abend überging. Die Sonne stand schon tief, die Vögel schmetterten ihre Nachtgesänge, ein Rudel Rehe kreuzte ihren Weg, was ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Aber um diese Tiere zu jagen, gebrach es ihr nun leider an Größe. Sie durchstreifte den Garten des Forsthauses, vorsichtig witternd, ob sich nicht ein Jagdhund irgendwo verbarg, aber offensichtlich hatte Nathan außer seinem Pferd keine Tiere. Sie näherte sich auf leisen Pfoten der Terrasse.
Er war da. Er lag auf einer Liege aus Holz, ein Glas und eine Flasche neben sich, eine Zeitschrift war auf den Boden geglitten, er selbst hatte die Augen geschlossen. Majestät umkreiste ihn, sprang dann auf den Tisch und beäugte ihn näher.
Die Königin der Trefélingeborenen war eine Katze von großen Gaben. Das Ankh, das sie bei der Übernahme ihres Amtes erhalten hatte, war nicht nur Abzeichen ihrer Königswürde, sondern barg auch eine geheimnisvolle Macht, über die sie mit diesem Amulett zu gebieten in der Lage war. Manches davon betraf die Angelegenheiten des Reiches, anderes gehörte zu dem Gebiet der Geheimen Künste. Vor allem aber verstärkte es ihre natürlichen Fähigkeiten.
Das Ankh hatte sie verloren, doch die Fähigkeiten – derentwegen sie unter anderem auch gekürt worden war – besaß sie noch, wenn auch nicht in dem Ausmaße wie sonst.
Es waren kätzische Fähigkeiten, und eine davon setzte sie nun ein.
Majestät war in der Lage, in die Träume anderer Wesen zu blicken und sie zu beobachten. Mit dem Ankh zusammen hätte sie
Weitere Kostenlose Bücher