Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
Vorräte vernichteten und die Welt mit Blut, Brand und Entsetzen überzogen. Krieg hatte geherrscht, und als er endlich ein Ende gefunden hatte, beherrschten Chaos und Hunger das Land.
Die Trefélingeborenen beobachteten das Treiben, und weil sie sich für ihre kleineren Verwandten, die Katzengeborenen, verantwortlich fühlten, sandte die damalige Königin einige Mitglieder ihres Hofstaates aus, um ihnen in den Zeiten des Elends beizustehen. Vor allem, weil die Kunde umging, die hungernden Menschen würden sich nicht scheuen, Katzen zu töten und sie zu verzehren.
Majestät war damals noch die Hofdame Merit gewesen, und sie hatte sich für den Dienst in der Menschenwelt gemeldet. Sie wurde sofort mit entsetzlichen Zuständen konfrontiert. Katzen streunten durch verbrannte Ruinen, hausten in staubigen, zusammengebrochenen Trümmern, darbten, starben – vergiftet, hungrig, gehetzt. Merit sorgte dafür, dass sie sich in Rudeln sammelten, zeigte ihnen sichere Horte, mögliche Futterstellen. Oder stand ihnen im Sterben bei.
Auf einem zerbombten Grundstück aber traf sie die junge Frau, die, obwohl selbst mager und erschöpft, tagtäglich Näpfe mit Fleisch und Schüsseln mit sauberem Wasser aufstellte. Und nicht nur das, sie versuchte sogar, den verletzten oder von Parasiten befallenen Tieren zu helfen, soweit es in ihrer Macht stand. Merit brachte, wen immer sie fand, zu ihr. Doch das alleine war es nicht, warum sie sich einst zu erkennen gegeben hatte.
Es war ein grauer Regentag gewesen, und das Rudel hatte Unterschlupf im Keller eines zerstörten Gebäudes gefunden. Gesa kannte ihr Versteck und war mit ihren Futtergaben zu ihnen gekommen. Während sich alle um die Näpfe versammelt hatten, begann plötzlich ein furchtbares Knirschen und Rumpeln. Wasser brach durch eine geborstene Wand, Schlamm, schoss hervor, Mörtel brach von der Decke. Gesa scheuchte die Katzen hinaus, trug einige selbst durch das steigende Grundwasser, kehrte zurück, um auch Merit zu retten, doch da brach der Ausgang zusammen, und Trümmer versperrten ihr den Weg.
Es versperrte Gesa den Weg nach draußen, nicht aber Merit den Weg zu den Grauen Wäldern. Denn just unter der Ruine befand sich eine der Übergangsstellen. Es war mehr als wagemutig, was sie getan hatte. Es grenzte an das Undenkbare. Und vielleicht war es auch nur möglich, weil sie große Gaben, oder weil auch Gesa gewisse Gaben hatte. Sie war verletzt, sie blutete, sie war kaum noch bei Bewusstsein und nur noch in der Lage zu kriechen, aber Merit gelang es, sie durch die Grauen Wälder zu bringen. Sie selbst trug einen der Ringe, wieso Gesa es ohne Ohrring geschafft hatte, wusste sie bis heute nicht. Aber deshalb war sie als Mensch nach Trefélin gekommen. Eine der Heilerinnen kümmerte sich um sie, und als sie wieder genesen war, zeigte sie unerwartet wenig Erstaunen darüber, dass sie sich im Heim der Katzen befand.
Merit hatte der damaligen Königin von Gesas Hingabe zu den hungernden Katzen berichtet. Sie erlaubte es der Menschenfrau daraufhin, einen der Verständigungsringe zu tragen und eine Weile in Trefélin zu bleiben, um sich von ihren Wunden und Strapazen zu erholen.
Sie blieb zwei Jahre, und Merit und sie wurden Freundinnen.
Freundinnen, die einander bedingungslos vertrauten, und so erfuhr Merit, dass Gesa schon von Kindheit an von Trefélin geträumt hatte. Sie war über die Heide der Witterlande gewandert, hatte den Kratzforst durchquert, den Sonnengau besucht und an den Windgestaden geweilt. Katzen faszinierten sie, die Katzengeborenen vertrauten ihr instinktiv. Katzen waren ihre Familie, denn sie selbst hatte schon sehr früh ihre Eltern verloren.
Gesa fühlte sich wohl in Trefélin, aber dann gab es Veränderungen, und aus der Hofdame Merit wurde Bastet Merit, die Königin ihres Volkes.
Gesa beschloss, in ihre Welt zurückzukehren, und als Abschiedsgeschenk verlieh Majestät ihr den Ohrring auf Lebenszeit. Er machte es ihr möglich, durch die Grauen Wälder zu reisen, und er verlieh ihr die Gabe, Katzen auf ganz besondere Weise zu verstehen.
Das wiederum hatte Gesa mit großem Nutzen für das Volk der Katzengeborenen eingesetzt. Und weil sie so lange Freundinnen waren, war Majestät an ihrem Todestag zu ihr gekommen, um an ihr gutzumachen, was sie den Ihren geschenkt hatte.
Gesa war einer der außergewöhnlichen Menschen.
Nathan war ebenfalls einer, der anders war.
Er schlief jetzt ruhig, traumlos.
Aber vorhin, als sie ihren Geist geöffnet hatte,
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