Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
lautlos zwischen den Stämmen der Buchen hindurch. Das gelang ihm von Mal zu Mal besser. Dann und wann blieb er stehen, um zu lauschen und die Luft zu schmecken. Frühling, fast Sommer war es, und es roch – grün. Aber unter all dem Grün lag auch ein Anhauch tierischer Duftnoten. Er konzentrierte sich auf den, den er finden wollte.
Richtig, er war hier gewesen, der scheue Waldkater. Ein kleines Büschel graubrauner Haare hatte sich an einem Baumstamm verfangen und bestätigte Finns Witterung. Aufmerksam sah er sich um.
Bevor Nathan Walker, der Förster, abgereist war, hatte er ihn gebeten, sich um die ausgewilderten Waldkatzen zu kümmern – was heißen sollte, sie vorsichtig zu beobachten. Drei Tiere waren vor einiger Zeit in das Revier entlassen worden, und eine der Kätzinnen hatte wirklich Junge bekommen. Sie aber waren inzwischen weitergezogen, hatten sich hoffentlich einen eigenen Lebensraum erobert.
Finn setzte das Fernglas an und suchte die Gegend ab. Auch darin war er inzwischen geübt. Laub, bemooste Steine, altes Holz boten den Waldkatzen Schutz, beinahe unsichtbar konnten sie sich machen. Aber sie liebten es auch, sich den Pelz in der Sonne zu wärmen, und so widmete er sich besonders den lichten Flecken.
Und richtig, dort auf dem alten Dolmen lag der Kater.
Zufrieden mit seiner Beobachtung setzte Finn das Fernglas ab und ging vorsichtig näher an die aufgerichteten Steine, die vor uralter Zeit vielleicht einmal ein Grabmal oder eine Kultstätte gewesen waren. Heute galten sie als Kulturdenkmal, aber für Finn hatten sie auch noch eine völlig andere Bedeutung. Wie so oft berührte er den goldenen Ohrring mit den Fingern.
Manchmal träumte er noch immer entsetzliche Dinge, aber oft wanderten seine Gedanken auch zurück zu jenen unbeschreiblichen Monaten, in denen er selbst eine Katze gewesen war. In einem anderen Land, zu dem dieser Dolmen der Eingang war. Was er dort erlebt hatte, konnte er keinem anvertrauen. Niemand würde ihm glauben, dass es eine Welt gab, in der die Katzen groß wie Tiger waren und eine höhere Kulturstufe als die Menschen erreicht hatten. Niemand außer Feli und Nathan. Feli, weil sie ebenfalls, wenn auch in menschlicher Gestalt, in Trefélin gewesen war, und Nathan, weil er zur gleichen Zeit Bastet Merit, die Königin der Katzen, in der Form einer kleinen Hauskatze beherbergt hatte. Und weil Nathan über eine Ausbildung verfügte, die es ihm zumindest in seiner Vorstellung erlaubte, das Katzenland zu besuchen.
Nathan Walker war in seiner Jugend bei einem indianischen Schamanen in die Lehre gegangen.
Ein bärbeißiger Mann, hatte Finn einst gedacht, als er das erste Mal mit ihm unter nicht eben günstigen Bedingungen zusammengestoßen war. Doch heute schämte er sich seines blöden Verhaltens. Seine Kumpels und er hatten an eben diesem Dolmen groben Unfug getrieben. Und danach war Finns Leben ziemlich gründlich durcheinandergeraten. Er war nicht böse darüber; die Erfahrungen, die er gesammelt hatte, waren überwiegend nützlich und hatten sein Selbstvertrauen gestärkt. Außerdem hatte es ihm die Freundschaft von Feli und einer frechen Katze eingebracht. Na ja, Chipolata könnte ein bisschen verschmuster sein und häufiger mal die Krallen bei sich lassen. Und – ja, Feli könnte auch verschmuster sein. Obwohl – hin und wieder war sie wirklich lieb zu ihm. Nur über unverbindliche Schmusereien ging ihr Verhältnis nicht hinaus. Dafür aber konnte man ausgesprochen gut mit ihr reden. Was hatte er früher immer darunter gelitten, dass die Frauen ihn nicht ernst nahmen. Feli nahm ihn jetzt ernst, Kristin auch, nur seine Mutter – aber das war ein anderes Ding. Als er nach seinem denkwürdigen Auszug aus dem Haus wieder zurückgekommen war, hatte er ihr mit ziemlich deutlichen Worten gesagt, dass er nicht Jura studieren würde, sondern Forstwirtschaft. Sie hatte herumargumentiert und von vertanen Chancen und Möglichkeiten gesprochen, aber er war hartnäckig geblieben, und irgendwann hatte sie mit den Schultern gezuckt und gesagt, er solle machen, was er für richtig hielt.
Nathan Walker aufzusuchen war ein schwierigerer Bußgang, doch erstaunlicherweise hatte der Förster kein weiteres Wort über die beschämenden Vorfälle verloren, sondern ihm ohne Umschweife ein Praktikum angeboten. Seither lernte Finn den Wald und seine Bewohner mit ganz neuen Augen kennen.
Lediglich Rudi störte seine Zufriedenheit mit dem Arrangement.
Rudi, rundlich, tapsig, kurzatmig und
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