Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
angenehmer als das Wohnheim. Er verhielt sich unauffällig, kam und ging durch die Hintertür, machte keinen Lärm und vor allem nicht das Licht an.
Seit er sich ernsthafter mit Finn beschäftigte, hatte er auch Fortschritte erzielt. Der Junge hatte sich Feinde gemacht, als er damals die Königin gerettet hatte. Das hatte er selbst erzählt. Jetzt hatte er sich auf die Suche nach diesen Männern gemacht, und so schwer war es nicht gewesen, sie zu finden. Als Kater hatte man so seine Möglichkeiten, und ein paar Streuner in der Gegend erinnerten sich an die Motorradfahrer, mit denen er sich herumgetrieben hatte. Dumme, gewaltbereite Tröpfe, genau die richtigen Gestalten, die er für seine eigenen Pläne einsetzen konnte. Es fiel ihm leicht, sie aufzuhetzen. Alkohol, etwas Geld, ein paar beleidigende Halbwahrheiten – schon würde die Angelegenheit ihren Lauf nehmen.
48. Alte Freunde
Finn brummte der Schädel. Er saß über seinem Laptop am Schreibtisch und brütete dumpf vor sich hin. Nicht nur hatte er zwei Klausuren nachzuholen, eine Semesterarbeit fertigzustellen und Aufgaben zu dem theoretischen Teil des Jagdscheins zu erledigen, er plagte sich auch weiter mit der Beziehung zu seinem Vater herum. Mit Nerissa hatte er ein langes Gespräch geführt, und erstmals seit langer Zeit hatten er und seine Mutter sich einander angenähert. Ja, sie hatte sogar Verständnis für seine Gewissensqualen gezeigt.
Kord war zu Beginn ihrer Ehe in der örtlichen Filiale der Sparkasse als Bankkaufmann angestellt gewesen und hatte sich später als Vermögensberater selbstständig gemacht. Daran erinnerte Finn sich noch. Warum er dann aber zu einem Inkassounternehmen gewechselt hatte, wusste er nicht. Jetzt war es ihm klar. Kord hatte Kundengelder veruntreut, und man hatte ihm fristlos gekündigt. Als Selbstständiger hatte er ebenfalls hochriskante Geschäfte getätigt, und als Nerissa dahintergekommen war, hatte sie sich endgültig von ihm getrennt.
»Ich habe euch davon fernhalten wollen, Finn. Das ist nichts, womit man Sechsjährige belastet. Aber ich sehe ein, dass es sich für dich anders angefühlt hat. Ich habe dir den Vater weggenommen.«
»Ja, das dachte ich. Du hättest es mir irgendwann sagen müssen.«
»Hättest du mir geglaubt?«
Wenn er ehrlich zu sich war – nein, das hätte er nicht.
Seit gefühlten hundert Jahren endlich hatte Nerissa ihn wieder einmal in den Arm genommen, und er hatte seinen Kopf Trost suchend an ihre Schulter gelegt.
»Tut mir leid, Finn. Wir haben es uns selbst schwer gemacht.«
»Ja. Sieht so aus.«
Vorsichtig hatte er sich losgemacht. Nerissa, die so viel Wert auf ihre jugendliche Ausstrahlung legte, sah ungewöhnlich erschöpft aus. Und irgendwie rührte ihn das plötzlich.
»Wir können ja versuchen, es jetzt besser zu machen.«
»Das könnten wir. Was bedrückt dich, Finn?«
»Eine ganze Menge. Gib mir noch ein paar Tage Zeit, dann erzähle ich es dir.«
An diesem Wochenende würde er genau das tun.
Es hatte wehgetan, sich dem Offensichtlichen zu stellen, aber so, wie es aussah, war sein Vater ein Krimineller. Sein Verhältnis zum Geld war mehr als bedenklich. Er hatte veruntreut, verzockt und jetzt offenbar hinterzogen. Das Gehalt, das ein karitativer Verein ihm zahlen konnte, dürfte nicht so hoch sein, dass er schon nach wenigen Monaten derart kostspielige Geschenke machen konnte. Das, was Rudi herausgefunden hatte, mochte weit eher die Quelle seiner Großzügigkeit sein. Wie auch immer er es angestellt hatte – es war ihm gelungen, von den Spenden einen Anteil für sich abzuzweigen.
Wie weit war Sepp Sebusch – Shepsi – darin eingebunden? Er war völlig gewissenlos, Menschen mochte er nicht. Aber wenn nötig konnte er sich hervorragend einschmeicheln. Bei Kord war es ihm blendend gelungen. Er hatte vermutlich Geld von ihm bekommen. Würde er sich jetzt wieder an ihn wenden? Das war nicht auszuschließen.
Finn musste etwas unternehmen.
Spätestens am Freitag, wenn er wieder zu Hause war.
Aber was?
Kord zur Rede stellen?
Er kam nicht dazu. Am Freitagabend schwang er sich auf sein Motorrad, um seinen Vater aufzusuchen. Schon als er aus dem Wohngebiet herausfuhr, hatte er ein mulmiges Gefühl. Ein schwarzgekleideter Biker folgte ihm, klebte an seinem Hinterreifen wie eine Klette. Dann, als er auf die Landstraße auffuhr, rauschten drei weitere Motorradfahrer hinter ihm heran. Zuerst blieben sie in gleichmäßigem Abstand, aber plötzlich holte der erste auf,
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